Mann & Frau
Mann & Frau aus biblischer Sicht (Skript)
(Quellen: siehe unten)
Brauchen wir so eine Lektion? Ja aus folgenden Gründen:
- Es gibt auch in unseren Gemeinden viele unterschiedliche Standpunkte und auch eine große Unsicherheit.
- Einige verlassen sogar ihre Gemeinde u.a. weil sie sich als Frauen diskriminiert gefühlt haben.
- Wir brauchen ein klares Verständnis davon, was einen christlichen Mann und eine christliche Frau ausmacht.
- Nur wenige Männer etwa haben eine klare Vorstellung davon, was einen Mann ausmacht. Sie sind sehr verwirrt, was ihr Selbstverständnis betrifft. Und verwirrte Männer können eine Menge Ärger verursachen.
- Gender Mainstreaming.
Ich will euch verschiedene Standpunkte darlegen. Einen Denkprozess in der Gemeinde anregen. Ich will nicht meine eigene Meinung als die einzig wahre darstellen. Und ich werde mich auf einige wenige Punkte beschränken.
Lets Go:
Wenn du wissen willst, was es mit dieser ganzen Mann/Frau-Sache auf sich hat, was einen christlichen Mann oder eine christliche Frau ausmacht, wo würdest du nachschauen?
Im 1. Korintherbrief? In Timotheus?
Als Jesus in Matthäus
Gehen wir als zurück an den Anfang. Wenn wir wissen wollen, wer wir sind, müssen wir zu unseren Wurzeln zurück, zu Gottes Plan für uns.
Jedes Wort in Genesis ist reich an Bedeutung. Unglaublich reich.
Genesis 1:
Genesis 2:
Genesis 1
Verse
A. Diese Verse sprechen vom Wert, den Mann und Frau haben.
1. Wir sind beide ein Abbild Gottes.
2. Wir sind beide wertvoll.
3. Wir sind beide einzigartig und etwas ganz Besonderes.
B. Diese Verse sprechen von der Berufung von Mann und Frau.
Vers 1:
1. Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde.
2. Unterwerft sie euch.
3. Herrscht über sie.
C. Diese Verse weisen auf eine wichtige soziale Struktur hin.
1. Gott nennt sowohl Mann als auch Frau absichtlich Mann (ish) auch wenn dies meist mit Mensch übersetzt wird. Siehe auch Genesis 5:2.
2. Merke: Jedes Wort in Genesis ist reich an Bedeutung!
3. Warum tut Er das? Aus demselben Grund, warum nach einer traditionellen Heirat die Eheleute den Namen des Mannes tragen. Hier weist man schon für die Zukunft auf eine bestimmte soziale Struktur sowie die Führungsrolle darin hin. Wenn sich die beiden einen Doppelnamen zulegen (Schmidt-Hinterhuber), hat dies ebenso eine gewisse Aussagekraft: Hier führt niemand. Hier sind beide dasselbe.
Erinnern wir uns: Gott sprach: es werde Licht. Und es wurde Licht. Ein Gewölbe entstehe mitten im Wasser. So geschah es. Er erschuf die Tiere usw. Als er aber den Menschen erschuf, tat Er etwas, was Er mit keinem Seiner Geschöpfe getan hat: Er spricht mit ihm persönlich. Das ist etwas Unglaubliches und genau deshalb ist jeder Satz in Genesis so wichtig.
Adam war also ein Teil der Schöpfung, der geschaffen wurde, um in Beziehung mit dem lebenden Gott zu treten!
Merke auch: Mann und Frau sind gleich - in dem Sinne, als beide in gleichem Maße Gottes Ebenbild tragen. Sie sind aber nicht gleichartig im Sinne von identisch; ohne jeglichen Unterschied.
A. Merke: Adam wurde zuerst geschaffen. (Genesis 2:7). Gott hätte leicht Mann und Frau zur selben Zeit schaffen können. Warum hat er das nicht getan?
Tausende Jahre später. Paulus spricht darüber, dass eine Frau nicht lehren darf. Wollt ihr wissen weshalb?
Denn zuerst wurde Adam erschaffen, danach Eva. (1. Timotheus 2:
Gott hatte also einen Plan im Kopf, als Er uns geschaffen hat!
B. Merke: Adam erhält eine Beschäftigung und Verantwortung, bevor Eva geschaffen wurde!
Man hat hier fast den Eindruck, als wenn Adam hier eine Art Trainingsprogramm für Führungskräfte durchläuft, bevor Eva die Szene betritt.
C. Merke: Adam wurde von Gott in der Verantwortung unterrichtet, mit Seinem Wort zu führen. (Genesis 2:
D. Merke: Adam gibt den Tieren einen Namen, ein Zeichen seiner Leitung über die Schöpfung (Genesis 2:
E. Merke: Adam wird eine Hilfe zur Seite gestellt, die ihm entspricht. Diese Bezeichnung zeigt, welche Absicht Gott hinsichtlich der sozialen Struktur unserer der Beziehungen von Männern und Frauen hatte (Genesis 2:
Die tiefsten Unterschiede von Mann und Frau sind im Übrigen nicht körperlicher Art. Sie sind soziologisch.
Drücken wir es einmal so aus: es findet eine Art Tanz der beiden Geschlechter statt. Die Frage ist nur: wer führt, und wer lässt sich führen? Ist das nicht die Frage des
Adam entdeckt also eine soziale Ergänzung, die ihm nicht nur Hilfe anbietet, sondern auch zu ihm aufblickt und von ihm erwartet, sie in liebevoller Weise zu führen und ihr so Erfüllung zu schenken.
Gott nennt Eva also Hilfe oder Gehilfin. Wenn sie also die Hilfe ist, was ist dann der Mann?
Ich lasse euch aber wissen, dass Christus das Haupt eines jeden Mannes ist; der Mann aber ist das Haupt der Frau; Gott aber ist das Haupt Christi. (1. Korinther
Männer sind also von Anfang an dazu bestimmt, in sozialer wie geistiger Hinsicht zu leiten, was auch den Kern jeder wahren Männlichkeit ausmacht.
Heutzutage erschreckt man oft Frauen, wenn man Männer und Führung nur in einem Atemzug erwähnt. Dazu folgendes:
Männliche Dominanz ist ein persönliches moralisches Versagen, keine biblische Lehre!
Männer, die Frauen dominieren wollen, sind in Wahrheit Jungs, die gerne so tun, als wären sie wahre Männer!
Der Mann, wurde ursprünglich als jemand geschaffen, der führt und leitet. Es war eine Führung, die edel war, ehrbar - und zum Besten einer Frau.
Der Ausdruck Hilfe kommt nur drei weitere Male in der Bibel vor: für Gott den Vater, Gott den Sohn und Gott den Heiligen Geist!
F. Merke: Adam gibt seiner Hilfe einen Namen (Genesis 2:
Was bedeutet es, dass der Mann das Haupt ist?
Der Mann übernimmt die Verantwortung, seiner Frau und seiner Familie zu dienen und die Leitung zu übernehmen, die Gott zum Ruhme gereichen und zum Wohle aller sein wird - ohne Rücksicht auf den Preis, den er vielleicht hierfür zahlen muss. Wir Männer müssen unsere Leben für unsere Familien nieder legen.
Die Tatsache, dass ein Mann das Haupt ist, ist per se nichts Schlechtes. Natürlich kann diese Form von Autorität falsch ausgeübt werden - genauso wie Eltern ihre Autorität Kindern gegenüber missbrauchen können, oder Älteste bzw. Pastoren/Pfarrer der Gemeinde gegenüber. Aber NIEMALS, wenn Jesus das Haupt der Kirche ist. Also ist die Tatsache, dass man Haupt ist, grundsätzlich etwas Gutes! Jesus als Haupt der Kirche ist unsere Errettung!
Das Schlechte in anderen Formen der Ausübung von Autorität liegt nicht an der Autorität selbst, sondern am sündigen Missbrauch einer rechtmäßigen Autorität!
Jesus schätzte und achtete Frauen sehr - und Er machte auch Unterschiede hinsichtlich ihrer Rollen und Aufgaben. Jesus achtete die spirituelle Gleichheit von Männern und Frauen. Es ist auch interessant, zu lesen, wie Er mit Frauen umging und wie liebe- und respektvoll Er sie behandelte und welche Würde Er ihnen beimaß.
Als Apostel aber wählte Er nur Männer aus und machte hiermit eine klare Rollenteilung. Ebenso bei den Hauptaufgaben der Apostel: Predigen, Lehren und Leiten. Frauen hingegen dienten in ebenso wichtigen Bereichen: sie beteten, sie gaben Geld, sie sorgten sich um körperliche Bedürfnisse, sie äußerten ihr theologisches Verständnis und zeugten von Seiner Auferstehung.
Jesus hat Frauen auch öffentlich direkt angesprochen - was damals außerordentlich unüblich war (siehe Johannes 4:
Ein wichtiger Aspekt ist auch, wie Jesus mit Frauen sprach. Er sprach mit Bedacht und Liebe. Die Frau mit den Blutungen etwa nennt Er zärtlich "Meine Tochter". Die Frau mit dem Krankheitsgeist nennt Er "Tochter Abrahams" (Lukas
Jesus hat auch die Sünden von Frauen nicht beschönigt. Er hat Frauen immer voll für ihre Sünden verantwortlich gemacht - so etwa die frau am Brunnen von Sychar (Johannes 4:
Jesus hat Frauen und Männer als gleichwertig gesehen.
Jesus zeigte Seine hohe Wertschätzung von Frauen dadurch, indem Er ihnen in Seinem Dienst Würde zusprach.
Er verwendete Frauen als Beispiele in Seiner Lehre, Er lehrte Frauen theologische Wahrheiten und Er ließ Frauen sowohl an Seinem Leben als auch an seinem Dienst teilhaben.
Jesus lehrte Frauen mehrmals auch persönlich (Lukas
Frauen, die an Jesu' Leben teil nahmen, passten in eine dieser beiden Gruppen:
- Die, die Ihm in irgendeiner Art und Weise dienten (Lukas 7:
- Die, die zu Zeugen seiner Wiederauferstehung wurden (Matthäus
Jesus anerkannte auch die verschiedenen Rollen, die Männer und Frauen haben. Er wählte etwa nur Männer als Apostel aus!
Gehen wir nochmals auf den Begriff Haupt ein:
Das Haupt jedes Mannes ist Christus und das Haupt jeder Frau ist der Mann - und das Haupt von Christus ist Gott.
Paulus verwendete den Begriff "Haupt" in der Bedeutung von "Autorität".
Manche Menschen wenden ein, dass, indem man Gott zum Haupt über Jesus macht, begeht man Ketzerei und ordnet Jesu gleichsam Gott unter. Dies aber wäre nur der Fall, wenn man davon ausginge, dass Vater und Sohn in der Natur oder im Wesen unterschiedlich sind. Jesus ist dem Vater nicht vom Wesen her untergeordnet. Er ordnet sich nur bereitwillig der Autorität des Vaters unter. Der Unterschied zwischen Vater und Sohn ist ein funktioneller, nicht ein wesentlicher.
Solch eine Interpretation wird auch vom 1. Korinther
Man kann also durchaus eine andere Funktion haben und trotzdem gleichwertig in Wert und Wesen sein. Frauen sind Männern somit spirituell gleichartig in Wert und Wesen - jedoch haben sie eine andere Funktion oder Rolle in der Kirche und in der Familie.
Wenn es in der Bibel heißt, dass Gott den Sohn in die Welt gesandt hat (etwa in Johannes 3:
Zurück zu Genesis:
G. Merke: Dem Mann wird gesagt, er solle Mutter und Vater verlassen und eine neue Familie gründen. Er tut dies nicht die Frau. Auch heute noch warten die meisten Frauen darauf, dass der Mann dies tut. Einen besonderen Moment schafft, auf seine Knie geht und fragt: Willst du mich heiraten?. Er will also die Führung übernehmen; im gemeinsamen Tanz führen!
Genesis 3
A. Merke: Die Versuchung der Schlange in Genesis will Gottes soziale und geistige Ordnung umkehren (Genesis 3:1-6).
Wo ist Adam in diesem Moment? Warum greift er nicht ein? Er ist anwesend, bleibt aber passiv.
In einer seltsamen Art und Weise übernimmt Eva die Führung. In diesem Moment geht es um Gleichheit Gleichheit mit Gott.
Nachdem Eva gesündigt hat, dreht sie sich zu ihrem Gatten um und er isst ebenso. Er hat aufgehört, zu führen.
Und das findet auch heute noch immer wieder statt. Jeden Tag stehen Männer herum und tun nichts, wenn sie doch eingreifen sollten.
Adam steht offensichtlich völlig passiv daneben und hat es zugelassen, dass die Lüge (dass Gehorsam, Demut und Dienen etwas Schlechtes seien) sich ausbreitet.
Ist es nicht interessant, dass es hier gerade um einen Tausch der Geschlechterrollen geht? Sollen wir diese Verwirrung in alle Ewigkeit fortsetzen?
B. Merke: Gott zieht Adam, nicht Eva zur Rechenschaft (Wo bist du?). Er hat versagt, nicht sie. Es ist wie in einer Fußballmannschaft: wenn die Mannschaft schlecht ist, wird der Trainer gefeuert!
Was mit Adam und Eva geschehen ist, wird eines Tages jedem verheirateten Mann bevor stehen. Gott wird uns fragen: Wo warst du?
Wenn aber Adam und Eva zusammen gefallen sind, warum gibt Paulus dann Adam die Schuld (Römer 5:
Das ist vielleicht auch der Grund dafür, dass sich Satan zuerst an Eva gewendet hat. Wenn die Rollen vertauscht gewesen wären und Eva zuerst geschaffen worden wäre, hätte sich Satan zweifellos zuerst an Adam gewendet. Eva war also nicht etwa moralisch schwächer als Adam - Satan wollte nur die Tatsache angreifen, dass Adam das Haupt war. Eva sollte in der Versuchung die Verantwortung übernehmen, entscheiden und führen. Wahrscheinlich hat sie gedacht, sie könnte ds schon zum Besten der beiden hin bekommen, wenn sie sich nur behaupten würde. Adam hingegen hat Gott mit offenen Augen heraus gefordert.
In Genesis 3:
Wichtig auch: Gott sagt nicht zu Adam, all das geschehe, weil er von dem Baum gegessen hat, von dem er eigentlich nicht hätte essen dürfen. Er sagt zu ihm, weil er auf seine Frau gehört hat und von dem Baum gegessen hat, werden sie nun bestraft!
Adam hat also in zweifacher Weise gesündigt: Er hat gegen Gottes Gebot verstoßen (2:
C. Merke: An Adams Sünde klebt eine unakzeptable Passivität (Genesis 3:
Wie hat Adam reagiert, als Gott ihn verantwortlich gemacht hat? Sagte er: Ja, ich habs getan? NEIN! Er schiebt die Schuld auf andere. Es war die Frau, die Gott ihm gegeben hat.
Ich bin ein Opfer: jeder Mann, der die Opferkarte zieht, hat die Karte der Männlichkeit zerrissen, weil er es ganz einfach nicht drauf hat, ein Mann zu sein!
Warum wurde er so passiv?
Sie waren in diesem Garten und es wurde ihnen gesagt, nicht von dieser Frucht zu essen. Adam sah, wie sich Eva mit dem Feind unterhielt und dabei war, die Frucht zu essen. In seiner Selbstsucht und in seinem Blick alleine auf sich selbst hat er wohl gedacht: lass sie doch von dem Zeug essen. Wenn sie stirbt, na ja, aber ich bin in Ordnung! Und wenn Gott nicht soviel Macht hat, bekomme ich, was ich will! Und sie aß und ist nicht gestorben und er aß und dann ganz plötzlich war die Hölle los und es wurde ihm klar, er ist getäuscht worden!
Wenn so etwas in seinem Kopf vorging, hat er gesündigt, lang bevor Eva die Frucht gegessen hat!
D. Merke: Adams Verfluchung basiert auf dem Umkehren der ursprünglichen Schöpfungsordnung: er hat als Führer versagt Evas Verfluchung basiert ebenfalls darauf: sie beanspruchte die Führung (Genesis 3:
E. Merke: Adams Sünde entfesselt die zerstörerische Kraft männlicher Dominanz (Genesis 3:
Männer sollten von Anfang an leiten aber nicht so!
Anstatt seine Frau zu leiten, wird er über sie herrschen.
Männer können hiervon nur befreit werden, wenn sie eine neue Führung im Angesicht von Jesus Christus finden.
F. Merke: Adam stirbt und alles, dem er Leben schenkt, stirbt ebenso. Und am meisten ist seine Männlichkeit dabei gestorben. Sehen wir Römer 5:
G. Merke: Adam gibt seiner Frau nach dem Sündenfall erneut einen Namen: Eva ein Zeichen seiner Leitungsrolle auch über dem Sündenfall hinaus (Genesis 3:
4) Kurze Erörterung der kontroversen Themen wie das Beten oder Bibellesen von Frauen in der Versammlung (die Gegner verweisen darauf, dass es in der Bibel heißt, Frauen sollen schweigen. Die Befürworter sagen, Paulus hat den Frauen auch erlaubt, zu beten und prophezeien, und da die Bibel sich nicht widerspricht, ist es Frauen sehr wohl erlaubt, dies in der Versammlung zu tun, solange sie die grundsätzliche Autorität der Männer dabei akzeptieren. Wobei die Gegenseite wiederum sagt, dass dieses erlaubte Beten und Prophezeien sich nur auf das private Umfeld bezog. Hierauf die Befürworter: die Christen trafen sich damals v.a. in privaten Häusern, somit waren diese privaten Versammlungen die offizielle Gemeinde. Außerdem war das Beten und Prophezeien immer zur Erbauung aller gedacht).
(Quellen: Recovering Biblical Manhood & Womanhood Grudem/Piper. Crossway Books,
The Quest For Authentic Manhood Dr. Robert Lewis, Mens Fraternity, www.mensfraternity.com) Go and get them!
Mann und Frau
SCHREIBEN AN DIE BISCHÖFE DER KATHOLISCHEN KIRCHE
ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT VON MANN UND FRAU
IN DER KIRCHE UND IN DER WELT
EINLEITUNG
1. Erfahren in der Menschlichkeit, ist die Kirche immer an den Belangen von Mann und Frau interessiert. In der letzten Zeit wurde viel über die Würde der Frau, über ihre Rechte und Pflichten in den verschiedenen Bereichen der bürgerlichen und der kirchlichen Gemeinschaft nachgedacht. Die Kirche, die besonders durch die Lehre von Johannes Paul II. zur Vertiefung dieses grundlegenden Themas beigetragen hat,1 wird heute von einigen Denkströmungen herausgefordert, deren Ideen oft nicht mit den genuinen Zielsetzungen der Förderung der Frau übereinstimmen.
Nach einer kurzen Darlegung und kritischen Bewertung verschiedener gegenwärtiger anthropologischer Auffassungen möchte das vorliegende Dokument Überlegungen über einige Voraussetzungen für ein rechtes Verständnis der aktiven Zusammenarbeit von Mann und Frau in der Kirche und in der Welt bei ausdrücklicher Anerkennung ihrer Verschiedenheit bieten. Diese Überlegungen sind inspiriert von den Lehraussagen der biblischen Anthropologie, die unerlässlich sind, um die Identität der menschlichen Person zu wahren. Sie wollen überdies Ausgangspunkt für einen Weg der Vertiefung innerhalb der Kirche und für den Aufbau eines Dialogs mit allen Männern und Frauen guten Willens sein, in der aufrichtigen Suche nach der Wahrheit und im gemeinsamen Bemühen um die Förderung von immer authentischeren Beziehungen.
I. DAS PROBLEM
2. In den letzten Jahren haben sich in der Auseinandersetzung mit der Frauenfrage neue Tendenzen abgezeichnet. Eine erste Tendenz unterstreicht stark den Zustand der Unterordnung der Frau, um eine Haltung des Protestes hervorzurufen. So macht sich die Frau, um wirklich Frau zu sein, zum Gegner des Mannes. Auf die Missbräuche der Macht antwortet sie mit einer Strategie des Strebens nach Macht. Dieser Prozess führt zu einer Rivalität der Geschlechter, bei der die Identität und die Rolle des einen zum Nachteil des anderen gereichen. Die Folge davon ist eine Verwirrung in der Anthropologie, die Schaden bringt und ihre unmittelbarste und unheilvollste Auswirkung in der Struktur der Familie hat.
Im Sog dieser ersten Tendenz ergibt sich eine zweite. Um jegliche Überlegenheit des einen oder des anderen Geschlechts zu vermeiden, neigt man dazu, ihre Unterschiede zu beseitigen und als bloße Auswirkungen einer historisch-kulturellen Gegebenheit zu betrachten. Bei dieser Einebnung wird die leibliche Verschiedenheit, Geschlecht genannt, auf ein Minimum reduziert, während die streng kulturelle Dimension, Gender genannt, in höchstem Maß herausgestrichen und für vorrangig gehalten wird. Die Verschleierung der Verschiedenheit oder Dualität der Geschlechter bringt gewaltige Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen mit sich. Diese Anthropologie, die Perspektiven für eine Gleichberechtigung der Frau fördern und sie von jedem biologischen Determinismus befreien wollte, inspiriert in Wirklichkeit Ideologien, die zum Beispiel die Infragestellung der Familie, zu der naturgemäß Eltern, also Vater und Mutter, gehören, die Gleichstellung der Homosexualität mit der Heterosexualität sowie ein neues Modell polymorpher Sexualität fördern.
3. Die unmittelbare Wurzel der genannten Tendenz findet sich im Kontext der Frauenfrage. Ihre tiefste Begründung muss aber im Versuch der menschlichen Person nach Befreiung von den eigenen biologischen Gegebenheiten gesucht werden.2 Gemäß dieser anthropologischen Perspektive hätte die menschliche Natur keine Merkmale an sich, die sich ihr in absoluter Weise auferlegen: Jede Person könnte und müsste sich nach eigenem Gutdünken formen, weil sie von jeder Vorausbestimmung auf Grund ihrer Wesenskonstitution frei wäre.
Diese Perspektive hat vielfältige Auswirkungen. Zum einen wird dadurch die Meinung bekräftigt, die Befreiung der Frau bringe eine Kritik an der Heiligen Schrift mit sich, die ein patriarchalisches Verständnis von Gott überliefere, das von einer wesentlich männlichen Kultur genährt sei. Zum anderen ist es gemäß dieser Tendenz unwichtig und bedeutungslos, dass der Sohn Gottes die menschliche Natur als Mann angenommen hat.
4. Angesichts dieser Denkströmungen spricht die Kirche hingegen, erleuchtet vom Glauben an Jesus Christus, von aktiver Zusammenarbeit von Mann und Frau bei ausdrücklicher Anerkennung ihrer Verschiedenheit.
Um die Grundlage, den Sinn und die Auswirkungen dieser Antwort besser zu verstehen, ist es angebracht, wenigstens kurz auf die Heilige Schrift zurückzugreifen, die auch reich ist an menschlicher Weisheit. In ihr wurde diese Antwort Schritt für Schritt dank des Eingreifens Gottes zum Wohl des Menschen offenbart.3
II. DIE GRUNDAUSSAGEN
DER BIBLISCHEN ANTHROPOLOGIE
5. Eine erste Reihe biblischer Texte, die es zu untersuchen gilt, sind die ersten drei Kapitel der Genesis. Sie führen uns »in den Bereich jenes biblischen Anfangs, wo die über den Menschen als Abbild und Gleichnis Gottes offenbarte Wahrheit die unveränderliche Grundlage der gesamten christlichen Anthropologie darstellt«.4
Der erste Text (Gen 1,1-2,4) beschreibt die Schöpfermacht des Wortes Gottes, die bewirkt, dass im ursprünglichen Chaos das eine vom anderen geschieden wird. So erscheinen Licht und Finsternis, Meer und Land, Tag und Nacht, Pflanzen und Bäume, Fische und Vögel, alle »nach ihrer Art«. Ausgehend von Verschiedenheiten, die zugleich neue Beziehungen verheißen, entsteht eine geordnete Welt. Dies ist der allgemeine Rahmen, in den die Erschaffung des Menschen eingeordnet ist. »Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich... Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie« (Gen 1,26-27). Der Mensch wird hier als ein Wesen beschrieben, das sich von seinem ersten Anfang an in der Beziehung von Mann und Frau artikuliert. Dieser geschlechtlich differenzierte Mensch wird ausdrücklich »Abbild Gottes« genannt.
6. Der zweite Schöpfungsbericht (Gen 2,4-25) bekräftigt in unzweideutiger Weise die Wichtigkeit der geschlechtlichen Verschiedenheit. Einmal von Gott geformt und in den Garten gesetzt, um ihn zu bebauen, macht jener, der noch mit dem allgemeinen Ausdruck Mensch beschrieben wird, die Erfahrung einer Einsamkeit, die von den anwesenden Tieren nicht ausgefüllt werden kann. Er braucht eine Hilfe, die ihm entspricht. Dieser Ausdruck bezeichnet hier nicht eine untergeordnete Rolle, sondern eine vitale Hilfe.5 Das Ziel besteht darin, es möglich zu machen, dass das Leben des Menschen nicht in einer fruchtlosen und am Ende tödlichen Beschäftigung nur mit sich selbst versinkt. Es ist notwendig, dass er mit einem anderen, auf seiner Ebene lebenden Wesen in Beziehung tritt. Nur die Frau, die aus demselben «Fleisch» geschaffen und von demselben Mysterium umhüllt ist, gibt dem Leben des Mannes eine Zukunft. Die Erschaffung der Frau durch Gott charakterisiert den Menschen auf seinsmäßiger Ebene als Wesen in Beziehung. In dieser Begegnung fällt auch das Wort, das den Mund des Mannes zum ersten Mal in einem Ausdruck des Staunens öffnet: »Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch« (Gen 2,23).
Der Heilige Vater hat mit Bezug auf diesen Text der Genesis geschrieben: »Die Frau ist ein anderes Ich im gemeinsamen Menschsein. Von Anfang an erscheinen sie [Mann und Frau] als Einheit von zweien, und das bedeutet die Überwindung der ursprünglichen Einsamkeit, in welcher der Mensch keine Hilfe fand, die ihm entsprach (Gen 2,20). Handelt es sich hier nur um die Hilfe bei der Arbeit, beim Unterwerfen der Erde (vgl. Gen 1,28)? Mit Sicherheit handelt es sich um die Lebensgefährtin, mit der sich der Mann als mit seiner Frau verbinden kann, so dass er ein Fleisch mit ihr wird und deshalb Vater und Mutter verlässt (vgl. Gen 2,24)«.6
Die vitale Verschiedenheit ist auf die Gemeinschaft ausgerichtet und wird in friedlicher Weise gelebt, wie es im Thema des Nacktseins zum Ausdruck kommt. »Beide, Adam und Eva, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander« (Gen 2,25). Der menschliche Leib, der vom Siegel der Männlichkeit bzw. der Weiblichkeit geprägt ist, »umfasst von Anfang an auch die Eigenschaft des Bräutlichen, das heißt die Fähigkeit, der Liebe Ausdruck zu geben: jener Liebe, in welcher der Mensch als Person Geschenk wird und durch dieses Geschenk den eigentlichen Sinn seines Seins und seiner Existenz verwirklicht«.7 In der weiteren Auslegung dieser Verse der Genesis fährt der Heilige Vater fort: »In dieser seiner Besonderheit ist der Leib Ausdruck des Geistes und dazu gerufen, gerade im Mysterium der Schöpfung in der Gemeinschaft der Personen das Ebenbild Gottes zu sein«.8
In der gleichen bräutlichen Perspektive versteht man, in welchem Sinn der alte Bericht der Genesis erkennen lässt, wie die Frau in ihrem tiefsten und ursprünglichsten Sein »für den anderen« (vgl. 1 Kor 11,9) da ist. Diese Aussage will in keiner Weise eine Entfremdung heraufbeschwören. Sie bringt vielmehr einen grundlegenden Aspekt der Ähnlichkeit mit der heiligen Dreifaltigkeit zum Ausdruck, deren Personen sich durch das Kommen Christi als Gemeinschaft der gegenseitigen Liebe offenbaren. »In der Einheit der zwei sind Mann und Frau von Anfang an gerufen, nicht nur nebeneinander oder miteinander, sondern auch einer für den anderen zu leben... Der Text von Gen 2,18-25 weist darauf hin, dass die Ehe die erste und gewissermaßen grundlegende Dimension dieser Berufung ist. Allerdings nicht die einzige. Die gesamte Geschichte des Menschen auf Erden vollzieht sich im Rahmen dieser Berufung. Aufgrund des Prinzips, dass in der interpersonalen Gemeinschaft einer für den anderen da ist, entwickelt sich in dieser Geschichte die Integration dessen, was männlich und was weiblich ist, in das von Gott gewollte Menschsein«.9
Die friedliche Schau am Ende des zweiten Schöpfungsberichts ist ein Echo jenes »sehr gut«, das im ersten Bericht die Erschaffung des ersten Menschenpaares abgeschlossen hat. Hier ist die Herzmitte des ursprünglichen Planes Gottes und der tiefsten Wahrheit über Mann und Frau, so wie Gott sie gewollt und geschaffen hat. Diese ursprünglichen Verfügungen des Schöpfers, wie sehr sie auch durch die Sünde entstellt und verdunkelt sind, können niemals zunichte gemacht werden.
7. Die Erbsünde verfälscht die Art, in welcher der Mann und die Frau das Wort Gottes aufnehmen und leben, sowie ihre Beziehung zum Schöpfer. Sofort nachdem Gott dem Menschen den Garten anvertraut hat, gibt er ihm ein positives (vgl. Gen 2,16) und dann ein negatives Gebot (vgl. Gen 2,17), in dem implizit die wesentliche Verschiedenheit zwischen Gott und Mensch ausgesagt wird. Verführt durch die Schlange, wird diese Verschiedenheit vom Mann und von der Frau bestritten. Als Folge davon wird auch die Art verzerrt, in der sie ihre geschlechtliche Verschiedenheit leben. Der Bericht der Genesis stellt so eine Beziehung von Ursache und Wirkung zwischen den beiden Verschiedenheiten her: Wenn der Mensch Gott als seinen Feind betrachtet, wird auch die Beziehung von Mann und Frau verdorben. Andererseits droht der Zugang zum Antlitz Gottes gefährdet zu werden, wenn die Beziehung von Mann und Frau entstellt wird.
In den Worten, die Gott nach dem Sündenfall an die Frau richtet, kommt in knapper, aber erschütternder Weise zum Ausdruck, welches Gepräge die Beziehungen zwischen Mann und Frau nun haben werden: »Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen« (Gen 3,16). Häufig wird die Liebe durch die bloße Suche nach dem eigenen Ich entstellt, so dass eine Beziehung entsteht, in der die Liebe missachtet und getötet und durch das Joch der Herrschaft des einen Geschlechts über das andere ersetzt wird. Die Geschichte der Menschheit gibt diese Verhältnisse wieder, in denen sich offen die dreifache Begierde ausdrückt, an die der heilige Johannes erinnert, wenn er von der Begierde des Fleisches, der Begierde der Augen und der Hoffart der Welt spricht (vgl. 1 Joh 2,16). In dieser tragischen Situation gehen jene Gleichheit, Achtung und Liebe verloren, die für die Beziehung von Mann und Frau nach dem ursprünglichen Plan Gottes erforderlich sind.
8. Eine Durchsicht dieser grundlegenden Texte macht es möglich, einige Kernaussagen der biblischen Anthropologie zu bekräftigen.
Vor allem muss der personale Charakter des Menschen unterstrichen werden. »Der Mensch ist eine Person: das gilt in gleichem Maße für den Mann und für die Frau; denn beide sind nach dem Bild und Gleichnis des personhaften Gottes geschaffen«.10 Die gleiche Würde der Personen verwirklicht sich als physische, psychologische und ontologische Komplementarität, die eine auf Beziehung angelegte harmonische »Einheit in der Zweiheit« schafft. Nur die Sünde und die in der Kultur eingeschriebenen »Strukturen der Sünde« haben aus dieser Beziehung eine potentielle Konfliktsituation gemacht. Die biblische Anthropologie legt nahe, die Probleme im Zusammenhang mit der Verschiedenheit des Geschlechts auf öffentlicher und privater Ebene in einer Weise anzugehen, die von der gegenseitigen Beziehung und nicht von Konkurrenz oder Rache ausgeht.
Darüber hinaus ist zu unterstreichen, wie wichtig und sinnvoll die Verschiedenheit der Geschlechter als eine dem Mann und der Frau tief eingeschriebene Wirklichkeit ist. »Die Geschlechtlichkeit kennzeichnet Mann und Frau nicht nur auf der physischen, sondern auch auf der psychologischen und geistigen Ebene und prägt alle ihre Ausdrucksweisen«.11 Sie kann nicht auf einen unbedeutenden biologischen Aspekt reduziert werden, sondern »ist eine grundlegende Komponente der Persönlichkeit; sie ist eine ihrer Weisen zu sein, sich zu äußern, mit den anderen in Kontakt zu treten und die menschliche Liebe zu empfinden, auszudrücken und zu leben«.12 Diese Fähigkeit zu lieben, Abglanz und Bild Gottes, der die Liebe ist, äußert sich auch im bräutlichen Charakter des Leibes, in dem die Männlichkeit bzw. die Weiblichkeit der Person eingeschrieben ist.
Diese anthropologische Dimension der Geschlechtlichkeit kann nicht von der theologischen Dimension getrennt werden. Das menschliche Geschöpf in seiner Einheit von Seele und Leib ist von Anfang an durch die Beziehung zum anderen gekennzeichnet. Diese Beziehung ist immer gut und zugleich entstellt. Sie ist gut, von einer ursprünglichen Güte, die Gott vom ersten Augenblick der Schöpfung an kundgetan hat. Sie ist aber auch entstellt durch die Disharmonie zwischen Gott und Mensch, die mit der Sünde gekommen ist. Diese Verfälschung entspricht jedoch weder dem anfänglichen Plan Gottes über Mann und Frau noch der Wahrheit der Beziehung zwischen den Geschlechtern. Daraus ergibt sich, dass diese gute, aber verwundete Beziehung der Heilung bedarf.
Welche Wege der Heilung kann es geben? Würden die Probleme im Zusammenhang mit der Beziehung zwischen den Geschlechtern nur ausgehend von der durch die Sünde geprägten Situation betrachtet und analysiert, fiele das Denken notwendigerweise in die oben erwähnten Irrtümer zurück. Man muss deshalb die Logik der Sünde durchbrechen und einen Weg suchen, der es möglich macht, diese Logik aus dem Herzen des sündigen Menschen zu beseitigen. Einen klaren Hinweis in diesem Sinn enthält die göttliche Verheißung eines Retters, in welche die »Frau« und ihr »Nachwuchs« einbezogen sind (vgl. Gen 3,15). Diese Verheißung kennt vor ihrer Verwirklichung eine lange Vorbereitung in der Geschichte.
9. Ein erster Sieg über das Böse wird in der Geschichte des Noach geschildert, einem gerechten Mann, der von Gott geführt wird und mit seiner Familie und den verschiedenen Tierarten der Sintflut entkommt (vgl. Gen 6-9). Aber vor allem durch die göttliche Erwählung Abrahams und seiner Nachkommen (vgl. Gen 12,1ff.) wird die Hoffnung auf Heil bekräftigt. So beginnt Gott, sein Antlitz zu enthüllen, damit die Menschheit durch das auserwählte Volk den Weg der Ähnlichkeit mit ihm lerne: den Weg der Heiligkeit und damit der Verwandlung des Herzens. Unter den vielen Weisen, in denen sich Gott gemäß einer langen und geduldigen Pädagogik seinem Volk offenbart (vgl. Hebr 1,1), findet sich auch der regelmäßig wiederkehrende Hinweis auf das Thema des Bundes von Mann und Frau. Dies ist paradox, wenn man das Drama, an das die Genesis erinnert und das sich zur Zeit der Propheten auf sehr konkrete Weise wiederholt hat, sowie die Vermischung zwischen Sakralem und Sexualität in den Religionen rund um Israel in Betracht zieht. Dieser Symbolismus scheint aber unerlässlich, um die Weise zu verstehen, in der Gott sein Volk liebt: Er gibt sich als Bräutigam zu erkennen, der Israel, seine Braut, liebt.
Wenn Gott in dieser Beziehung als »eifersüchtiger Gott« (vgl. Ex 20,5; Nah 1,2) beschrieben und Israel als »ehebrecherische« Frau oder als »Dirne« (vgl. Hos 2,4-15; Ez 16,15-34) angeklagt wird, hat dies seinen Grund gerade in der durch das Prophetenwort bekräftigten Hoffnung, das neue Jerusalem als die vollkommen gewordene Braut zu sehen: »Wie der junge Mann sich mit der Jungfrau vermählt, so vermählt sich mit dir dein Erbauer. Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich« (Jes 62,5). Neu geschaffen in »Gerechtigkeit und Recht«, in »Liebe und Erbarmen« (Hos 2,21), wird jene, die sich abgewandt hat, um Leben und Glück bei falschen Göttern zu suchen, zu dem zurückkehren, der zu ihrem Herzen spricht. Sie wird singen »wie in den Tagen ihrer Jugend« (Hos 2,17), und sie wird hören, wie er verkündet: »Dein Schöpfer ist dein Gemahl« (Jes 54,5). Hier kommt im Wesentlichen dasselbe zum Ausdruck wie an den Stellen, an denen das Buch Jesaja parallel zum Mysterium des Werkes, das Gott durch die männliche Gestalt des leidenden Knechts vollbringt, die weibliche Gestalt von Zion erwähnt, die geschmückt ist mit einer Transzendenz und Heiligkeit, die das Geschenk des für Israel bestimmten Heils ankündigen.
Im Gebrauch dieser Weise der Offenbarung ist das Hohelied zweifellos von herausragender Bedeutung. In den Worten einer ganz und gar menschlichen Liebe, welche die Schönheit der Leiber und das Glück der gegenseitigen Suche besingt, kommt auch die göttliche Liebe für sein Volk zum Ausdruck. Die Kirche ist deshalb nicht in die Irre gegangen, wenn sie in der kühnen Verbindung des ganz und gar Menschlichen mit dem ganz und gar Göttlichen durch die Verwendung derselben Ausdrücke das Mysterium ihrer Beziehung zu Christus erkannt hat.
Das ganze Alte Testament hindurch nimmt eine Heilsgeschichte Gestalt an, bei der sowohl männliche als auch weibliche Gestalten mitwirken. Die Begriffe von Bräutigam und Braut oder auch von Bund, durch die sich die Dynamik des Heils auszeichnet, haben gewiss eine offenkundig bildliche Dimension, sind aber doch viel mehr als bloße Metaphern. Das hochzeitliche Vokabular berührt nämlich das Wesen der Beziehung, die Gott mit seinem Volk aufbaut, auch wenn diese Beziehung über das hinausgeht, was mit der menschlichen Erfahrung der Hochzeit zum Ausdruck gebracht werden kann. Zugleich sind in der Art, in der etwa die Weissagungen des Jesaja männliche und weibliche Rollen bei der Ankündigung und Verheißung des Heilswerkes durch Gott miteinander verknüpfen, die konkreten Bedingungen der Erlösung im Spiel. Dieses Heil weist den Leser sowohl auf die männliche Gestalt des leidenden Knechts als auch auf die weibliche Gestalt von Zion hin. In den Weissagungen des Jesaja wechseln die Gestalt von Zion und jene des Gottesknechts einander ab, bevor sie am Ende des Buches in der geheimnisvollen Schau der Stadt Jerusalem gipfeln, die ein Volk an einem einzigen Tag gebiert (vgl. Jes 66,7-14): Prophetie der großen Neuheit, die Gott dabei ist zu verwirklichen (vgl. Jes 48,6-8).
10. Im Neuen Testament gehen alle diese Verheißungen in Erfüllung. Auf der einen Seite umfasst und verwandelt Maria, die auserwählte Tochter Zions, als Frau das Brautsein des Volkes Israel, das auf den Tag seines Heils wartet. Auf der anderen Seite kann man im Mannsein des Sohnes erkennen, wie Jesus in seiner Person all das aufnimmt, was der alttestamentliche Symbolismus auf die Liebe Gottes zu seinem Volk angewandt hatte, die als die Liebe eines Bräutigams zu seiner Braut beschrieben wird. Jesus und Maria, seine Mutter, sichern so nicht nur die Kontinuität des Alten Testaments mit dem Neuen, sondern ragen darüber hinaus, weil mit Jesus Christus »die ganze Neuheit«13 sichtbar wird, wie der heilige Irenäus sagt.
Dieser Aspekt wird besonders durch das Johannesevangelium herausgestrichen. Bei der Hochzeit in Kana zum Beispiel wird Jesus von seiner Mutter die »Frau« genannt wird gebeten, für das Zeichen des neuen Weines der zukünftigen Hochzeit mit der Menschheit zu sorgen (vgl. Joh 2,1-12). Diese messianische Hochzeit verwirklicht sich unter dem Kreuz, wo wieder in Gegenwart der Mutter, die als »Frau« angesprochen wird aus dem geöffneten Herzen des Gekreuzigten das Blut/der Wein des Neuen Bundes strömt (vgl. Joh 19,25-27.34).14 Es ist deshalb nicht überraschend, dass Johannes der Täufer auf die Frage, wer er sei, sich »Freund des Bräutigams« nennt, der sich freut, wenn er die Stimme des Bräutigams hört, und der bei seinem Kommen zurücktreten muss: »Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; der Freund des Bräutigams aber, der dabei steht und ihn hört, freut sich über die Stimme des Bräutigams. Diese Freude ist nun für mich Wirklichkeit geworden. Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden« (Joh 3,29-30).15
In seinem apostolischen Wirken entfaltet Paulus den ganzen hochzeitlichen Sinn der Erlösung, wenn er das christliche Leben als hochzeitliches Mysterium begreift. Er schreibt an die von ihm gegründete Kirche von Korinth: »Ich liebe euch mit der Eifersucht Gottes; ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen« (2 Kor 11,2).
Im Brief an die Epheser wird die bräutliche Beziehung zwischen Christus und der Kirche aufgegriffen und ausführlich vertieft. Im Neuen Bund ist die geliebte Braut die Kirche. Im Brief an die Familien lehrt der Heilige Vater: »Diese Braut, von der der Epheserbrief spricht, vergegenwärtigt sich in jedem Getauften und ist wie eine Person, die vor dem Blick ihres Bräutigams erscheint: Er hat die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben... So will er die Kirche herrlich vor sich erscheinen lassen, ohne Flecken, Falten oder andere Fehler; heilig soll sie sein und makellos (Eph 5,25-27)«.16
Bei der Betrachtung der Vereinigung von Mann und Frau, wie sie im Zusammenhang mit der Erschaffung der Welt beschrieben wird (vgl. Gen 2,24), ruft der Apostel aus: »Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche« (Eph 5,32). Die in der Kraft der Taufgnade gelebte Liebe von Mann und Frau wird nun zum Sakrament der Liebe Christi und der Kirche, zum Zeugnis für das Mysterium der Treue und der Einheit, aus dem die »neue Eva« geboren wird und von dem sie auf ihrem irdischen Pilgerweg lebt, während sie auf die Vollendung der ewigen Hochzeit wartet.
11. Die christlichen Eheleute, die in das Paschamysterium eingetaucht und zu lebendigen Zeichen der Liebe Christi und der Kirche gemacht wurden, sind in ihrem Herzen erneuert. Sie können die Beziehungen meiden, die von der Begierde und der Tendenz, den anderen zu beherrschen, geprägt sind, welche der Bruch mit Gott durch die Sünde im ersten Menschenpaar hinterlassen hatte. Die Güte der Liebe, nach der sich das verwundete menschliche Herz immerfort gesehnt hatte, offenbart sich durch sie mit neuen Akzenten und Möglichkeiten. In diesem Licht kann Jesus im Zusammenhang mit der Frage nach der Scheidung (vgl. Mt 19,3-9) an die Forderungen des Bundes zwischen Mann und Frau erinnern, wie Gott sie am Anfang stellte, also vor dem Einbruch der Sünde, der die nachfolgenden Anordnungen des mosaischen Gesetzes gerechtfertigt hatte. Dieses Wort Jesu will in keiner Weise eine starre, unbarmherzige Ordnung auferlegen, sondern ist in Wirklichkeit die Ankündigung einer »frohen Botschaft«, der Botschaft der Treue, die stärker ist als die Sünde. In der Kraft der Auferstehung ist der Sieg der Treue über die Schwächen, die erlittenen Verwundungen und die Sünden des Ehepaares möglich. In der Gnade Christi, der ihr Herz erneuert, werden Mann und Frau fähig, sich von der Sünde zu befreien und die Freude der gegenseitigen Hingabe zu erkennen.
12. »Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt. Es gibt nicht mehr... Mann und Frau«, schreibt der heilige Paulus an die Galater (3,27-28). Der Apostel erklärt hier nicht, dass die Unterscheidung von Mann und Frau hinfällig ist, von der er an anderer Stelle sagt, dass sie zum Plan Gottes gehört. Er will vielmehr sagen, dass in Christus die Rivalität, die Feindschaft und die Gewalt, welche die Beziehung von Mann und Frau entstellt haben, überwunden werden können und überwunden wurden. In diesem Sinn wird die Unterscheidung von Mann und Frau mehr als je zuvor bekräftigt, welche die biblische Offenbarung übrigens bis zum Ende begleitet. In der letzten Stunde der gegenwärtigen Geschichte erscheinen in der Offenbarung des Johannes «ein neuer Himmel« und »eine neue Erde« (Offb 21,1), und es taucht in der Vision die weibliche Gestalt der Stadt Jerusalem auf, »bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat« (Offb 21,2). Die Offenbarung schließt mit dem Wort des Geistes und der Braut, die um das Kommen des Bräutigams beten: »Komm, Herr Jesus!« (Offb 22,20).
Mannsein und Frausein sind so als ontologisch zur Schöpfung gehörend offenbart und deshalb dazu bestimmt, über die gegenwärtige Zeit hinaus Bestand zu haben, natürlich in einer verwandelten Form. Auf diese Weise charakterisieren sie die Liebe, die niemals aufhört (vgl. 1 Kor 13,8), wenngleich die zeitliche, irdische Ausdrucksweise der Geschlechtlichkeit in ihrer Hinordnung auf die durch Zeugung und Tod geprägten Lebensbedingungen vergänglich ist. Für diese Form der zukünftigen Verwirklichung des Mann- und Frauseins will die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ein prophetisches Zeichen sein. Jene, die zölibatär leben, nehmen eine Wirklichkeit des Daseins vorweg, die jene eines Mannes bzw. einer Frau bleibt, aber nicht mehr den gegenwärtigen Begrenzungen der ehelichen Beziehung unterworfen sein wird (vgl. Mt 22,30). Für jene, die in der Ehe leben, ist dieser Stand zudem ein Hinweis und ein prophetisches Zeichen für die Vollendung, die ihre Beziehung in der Begegnung mit Gott von Angesicht zu Angesicht finden wird.
Mann und Frau sind von Beginn der Schöpfung an unterschieden und bleiben es in alle Ewigkeit. In das Paschamysterium Christi eingefügt, erfahren sie ihre Verschiedenheit nicht mehr als Ursache von Uneinigkeit, die durch Leugnung oder Einebnung überwunden werden müsste, sondern als Möglichkeit zur Zusammenarbeit, die in der gegenseitigen Achtung der Verschiedenheit zu verwirklichen ist. Von hier aus eröffnen sich neue Perspektiven für ein tieferes Verständnis der Würde der Frau und ihrer Rolle in der menschlichen Gesellschaft und in der Kirche.
III. DIE AKTUALITÄT
DER FRAULICHEN WERTE
IM LEBEN DER GESELLSCHAFT
13. Unter den Grundwerten, die mit dem konkreten Leben der Frau verbunden sind, ist jener zu erwähnen, den man ihre »Fähigkeit für den anderen« genannt hat. Trotz der Tatsache, dass eine gewisse Strömung des Feminismus Ansprüche »für sie selber« einfordert, bewahrt die Frau doch die tiefgründige Intuition, dass das Beste ihres Lebens darin besteht, sich für das Wohl des anderen einzusetzen, für sein Wachstum, für seinen Schutz.
Diese Intuition ist mit ihrer physischen Fähigkeit verbunden, Leben zu schenken. Die gelebte oder potentielle Fähigkeit zur Mutterschaft ist eine Wirklichkeit, die die weibliche Persönlichkeit zutiefst prägt. Sie hilft ihr, sehr schnell Reife, Sinn für die Bedeutung des Lebens und die damit verbundene Verantwortung zu erlangen. Sie entfaltet in ihr den Sinn und die Ehrfurcht gegenüber dem Konkreten, das sich den Abstraktionen entgegenstellt, die für das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft oft tödlich sind. Schließlich besitzt die Frau auch in den aussichtslosesten Situationen Vergangenheit und Gegenwart sind dafür Zeugen eine einzigartige Fähigkeit, in den Widerwärtigkeiten standzuhalten, in extremen Umständen das Leben noch möglich zu machen, einen festen Sinn für die Zukunft zu bewahren und durch Tränen an den Preis jedes Menschenlebens zu erinnern.
Auch wenn die Mutterschaft eine zentrale Bedeutung für die weibliche Identität hat, ist es aber nicht richtig, die Frau nur unter dem Aspekt der biologischen Fortpflanzung zu sehen. In dieser Hinsicht kann es schwerwiegende Übertreibungen geben, welche die biologische Fruchtbarkeit mit vitalistischen Ausdrücken verherrlichen und oft mit einer gefährlichen Abwertung der Frau verbunden sind. Die christliche Berufung zur Jungfräulichkeit, die gegenüber der alttestamentlichen Tradition und den Ansprüchen vieler menschlicher Gesellschaftssysteme eine echte Herausforderung ist, hat in dieser Hinsicht größte Bedeutung.17 Diese Berufung widerlegt radikal jeden Anspruch, die Frauen in ein bloß biologisches Schicksal einzuschließen. Wie die Jungfräulichkeit durch die leibliche Mutterschaft daran erinnert wird, dass zur christlichen Berufung immer die konkrete Selbsthingabe an den anderen gehört, so wird die leibliche Mutterschaft durch die Jungfräulichkeit an ihre wesentlich geistliche Dimension erinnert: Um dem anderen wirklich das Leben zu schenken, darf man sich nicht mit der physischen Zeugung begnügen. Dies bedeutet, dass es Formen der vollen Verwirklichung der Mutterschaft auch dort geben kann, wo keine physische Zeugung erfolgt.18
In dieser Perspektive wird die unersetzliche Rolle der Frau in allen Bereichen des familiären und gesellschaftlichen Lebens verständlich, bei denen es um die menschlichen Beziehungen und die Sorge um den anderen geht. Hier zeigt sich deutlich, was der Heilige Vater den Genius der Frau genannt hat.19 Dies beinhaltet vor allem, dass die Frauen aktiv und auch fest in der Familie, »der anfänglichen und in gewissem Sinn souveränen Gesellschaft«,20 gegenwärtig sein sollen. Besonders hier wird nämlich das Antlitz eines Volkes geformt, hier eignen sich seine Glieder die grundlegenden Kenntnisse an. Sie lernen lieben, weil sie selber umsonst geliebt werden; sie lernen jede andere Person achten, weil sie selber geachtet werden; sie lernen das Antlitz Gottes kennen, weil sie dessen erste Offenbarung von einem Vater und einer Mutter erhalten, die ihnen ihre ganze Zuwendung schenken. Jedes Mal, wenn diese Grunderfahrungen fehlen, wird der ganzen Gesellschaft Gewalt angetan und bringt die Gesellschaft dann ihrerseits vielfältige Formen der Gewalt hervor. Dies beinhaltet darüber hinaus, dass die Frauen in der Welt der Arbeit und des gesellschaftlichen Lebens gegenwärtig sein und zu verantwortungsvollen Stellen Zugang haben sollen, die ihnen die Möglichkeit bieten, die Politik der Völker zu inspirieren und neue Lösungen für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme anzuregen.
Man darf aber in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die Überschneidung von zwei Tätigkeiten Familie und Arbeit bei der Frau andere Merkmale annimmt als beim Mann. Deshalb stellt sich die Aufgabe, die Gesetzgebung und die Organisation der Arbeit mit den Anforderungen der Sendung der Frau innerhalb der Familie zu harmonisieren. Hier geht es nicht nur um eine rechtliche, wirtschaftliche und organisatorische Frage, sondern vor allem um eine Frage der Mentalität, der Kultur und der Ach- tung. Erforderlich ist eine gerechte Wertschätzung der Arbeit, welche die Frau in der Familie leistet. So könnten die Frauen, die es freiwillig wünschen, ihre ganze Zeit der häuslichen Arbeit widmen, ohne sozial gebrandmarkt und wirtschaftlich bestraft zu werden. Jene hingegen, die auch andere Tätigkeiten verrichten möchten, könnten dies in einem angepassten Arbeitsrhythmus tun, ohne vor die Alternative gestellt zu werden, ihr Familienleben aufzugeben oder einer ständigen Stresssituation ausgesetzt zu sein, die weder dem persönlichen Gleichgewicht noch der Harmonie in der Familie förderlich ist. Johannes Paul II. hat darüber geschrieben: »Es wird einer Gesellschaft zur Ehre gereichen, wenn sie es der Mutter ermöglicht, sich ohne Behinderung ihrer freien Entscheidung, ohne psychologische oder praktische Diskriminierung und ohne Benachteiligung gegenüber ihren Kolleginnen der Pflege und Erziehung ihrer Kinder je nach den verschiedenen Bedürfnissen ihres Alters zu widmen«.21
14. Es ist jedoch angebracht, daran zu erinnern, dass die eben erwähnten fraulichen Werte vor allem menschliche Werte sind: Die menschliche Verfassung, sowohl des Mannes als auch der Frau, die als Abbild Gottes erschaffen wurden, ist nämlich eine und unteilbar. Nur weil die Frauen spontaner mit den genannten Werten übereinstimmen, können sie ein Aufruf und ein bevorzugtes Zeichen für diese Werte sein. Letztlich ist aber jeder Mensch, ob Mann oder Frau, dazu bestimmt, »für den anderen« da zu sein. In dieser Perspektive ist das, was man »Fraulichkeit« nennt, mehr als ein bloßes Attribut des weiblichen Geschlechts. Der Ausdruck beschreibt nämlich die grundlegende Fähigkeit des Menschen, für den anderen und dank des anderen zu leben.
Deshalb muss die Förderung der Frau innerhalb der Gesellschaft als eine Vermenschlichung verstanden und gewollt werden, welche durch die dank der Frauen neu entdeckten Werte Wirklichkeit wird. Jede Perspektive, die sich als Kampf der Geschlechter ausgeben möchte, ist nur Illusion und Gefahr: Sie würde in Situationen der Abkapselung und der Rivalität zwischen Männern und Frauen enden und eine Ichbezogenheit fördern, die von einem falschen Freiheitsverständnis genährt wird.
Unbeschadet der Bemühungen zur Förderung der Rechte, welche die Frauen in der Gesellschaft und in der Familie anstreben, wollen diese Anmerkungen eine Perspektive korrigieren, in der die Männer als Feinde betrachtet werden, die zu besiegen wären. Die Beziehung zwischen Mann und Frau kann ihre gerechte Ordnung nicht in einer Art misstrauischer, defensiver Gegnerschaft finden. Es ist notwendig, dass diese Beziehung im Frieden und im Glück der ungeteilten Liebe gelebt wird.
Auf einer mehr konkreten Ebene müssen die sozialpolitischen Maßnahmen bezüglich der Erziehung, der Familie, der Arbeit, dem Zugang zu Dienstleistungen, der Mitwirkung am bürgerlichen Leben auf der einen Seite jegliche ungerechte geschlechtliche Diskriminierung bekämpfen und auf der anderen Seite die Bestrebungen und Bedürfnisse eines jeden wahrzunehmen und zu erkennen wissen. Die Verteidigung und die Förderung der gleichen Würde und der gemeinsamen persönlichen Werte müssen mit der sorgsamen Anerkennung der gegenseitigen Verschiedenheit harmonisiert werden, wo dies von der Verwirklichung des eigenen Mann- oder Frauseins gefordert wird.
IV. DIE AKTUALITÄT
DER FRAULICHEN WERTE
IM LEBEN DER KIRCHE
15. Was die Kirche betrifft, ist das Zeichen der Frau mehr denn je zentral und fruchtbar. Dies hängt mit der Identität zusammen, welche die Kirche von Gott erhalten und im Glauben angenommen hat. Diese »mystische«, grundlegende, seinshafte Identität muss man beim Nachdenken über die entsprechenden Rollen des Mannes und der Frau in der Kirche gegenwärtig halten.
Seit den ersten christlichen Generationen betrachtet sich die Kirche als Gemeinschaft, die von Christus gezeugt wurde und durch eine Beziehung der Liebe an ihn gebunden bleibt, deren vorzüglichster Ausdruck die hochzeitliche Erfahrung ist. Daraus ergibt sich, dass die erste Aufgabe der Kirche darin besteht, in der Gegenwart dieses Mysteriums der Liebe Gottes zu bleiben, das in Jesus Christus offenbar wurde, es zu betrachten und zu feiern. In dieser Hinsicht ist Maria in der Kirche der grundlegende Bezugspunkt. Man könnte mit einer Metapher sagen, dass Maria der Kirche den Spiegel reicht, in dem sie ihre eigene Identität erkennen soll, aber auch die Einstellungen des Herzens, die Haltungen und die Taten, die Gott von ihr erwartet.
Marias Dasein ist für die Kirche eine Einladung, ihr Sein im Hören und Aufnehmen des Wortes Gottes zu verankern. Der Glaube ist nämlich nicht so sehr die Suche des Menschen nach Gott, sondern vielmehr die Anerkennung des Menschen, dass Gott zu ihm kommt, ihn heimsucht und zu ihm spricht. Dieser Glaube, gemäß dem »für Gott nichts unmöglich ist« (vgl. Gen 18,14; Lk 1,37), lebt und wächst im demütigen, liebenden Gehorsam, mit dem die Kirche zum Vater sagen kann: »Mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38). Der Glaube weist immerfort auf Jesus hin: »Was er euch sagt, das tut!« (Joh 2,5). Der Glaube geht mit Jesus den Weg bis unter das Kreuz. In der Stunde der tiefsten Finsternis harrt Maria mutig und getreu aus, weil sie mit einzigartiger Gewissheit auf das Wort Gottes vertraut.
Von Maria lernt die Kirche die Vertrautheit mit Christus. Maria, die das kleine Kind von Betlehem in ihren Händen getragen hat, lehrt die unendliche Demut Gottes erkennen. Sie, die den gemarterten, vom Kreuz abgenommenen Leib Jesu in ihre Arme genommen hat, zeigt der Kirche, wie sie sich aller Menschen annehmen soll, die in dieser Welt durch Gewalt und Sünde entstellt sind. Von Maria lernt die Kirche die Bedeutung der Macht der Liebe, wie Gott sie im Leben seines vielgeliebten Sohnes zeigt und offenbart: »Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind... und erhöht die Niedrigen« (Lk 1,51-52). Von Maria empfangen die Jünger Christi den Sinn und den Geschmack für den Lobpreis vor dem Werk der Hände Gottes: »Der Mächtige hat Großes an mir getan« (Lk1,49). Sie lernen, dass sie in der Welt sind, um das Andenken an diese »Großtaten« zu bewahren und den Tag des Herrn wachsam zu erwarten.
16. Auf Maria schauen und sie nachahmen, bedeutet aber nicht, die Kirche einer Passivität preiszugeben, die von einer überwundenen Auffassung der Weiblichkeit inspiriert ist, und sie einer Verwundbarkeit auszusetzen, die gefährlich ist in einer Welt, in der vor allem die Herrschaft und die Macht zählen. Der Weg Christi ist nämlich weder der Weg der Herrschaft (vgl. Phil 2,6) noch der Weg der Macht im weltlichen Sinn (vgl. Joh 18,36). Vom Sohn Gottes kann man lernen, dass diese »Passivität« in Wirklichkeit der Weg der Liebe ist, dass sie eine königliche Macht darstellt, die jede Gewalt besiegt, dass sie »Passion« ist, welche die Welt von Sünde und Tod erlöst und die Menschheit neu schafft. Der Gekreuzigte, der den Apostel Johannes seiner Mutter anvertraut, lädt seine Kirche ein, von Maria das Geheimnis jener Liebe zu lernen, die triumphiert.
Der Hinweis auf Maria und ihre Haltungen des Hörens, des Aufnehmens, der Demut, der Treue, des Lobpreises und der Erwartung verleiht der Kirche in keiner Weise eine Identität, die in einem zufälligen Modell der Weiblichkeit gründet, sondern stellt sie in die Kontinuität mit der geistlichen Geschichte Israels. In Jesus und durch Jesus werden diese Haltungen zur Berufung eines jeden Getauften. Unabhängig von den Verhältnissen, den Lebensständen, den verschiedenen Berufungen mit oder ohne öffentliche Verantwortung machen die genannten Haltungen einen wesentlichen Aspekt der Identität des christlichen Lebens aus. Auch wenn es sich dabei um Einstellungen handelt, die jeden Getauften prägen sollten, zeichnet sich die Frau dadurch aus, dass sie diese Haltungen mit besonderer Intensität und Natürlichkeit lebt. So erfüllen die Frauen eine Rolle von größter Wichtigkeit im kirchlichen Leben. Sie rufen allen Getauften diese Haltungen in Erinnerung und tragen auf einzigartige Weise dazu bei, das wahre Antlitz der Kirche, der Braut Christi und der Mutter der Gläubigen, zu offenbaren.
In dieser Perspektive wird auch verständlich, wie die Tatsache, dass die Priesterweihe ausschließlich Männern vorbehalten ist,22 die Frauen in keiner Weise daran hindert, zur Herzmitte des christlichen Lebens zu gelangen. Die Frauen sind berufen, unersetzliche Vorbilder und Zeugen dafür zu sein, wie die Kirche als Braut mit Liebe auf die Liebe des Bräutigams antworten muss.
SCHLUSS
17. In Jesus Christus ist alles neu gemacht worden (vgl. Offb 21,5). Es gibt aber keine Erneuerung in der Gnade ohne die Bekehrung der Herzen. Im Blick auf Jesus und im Bekenntnis, dass er der Herr ist, geht es darum, den Weg der Liebe zu erkennen, der die Sünde besiegt und den er seinen Jüngern weist.
So wird die Beziehung des Mannes zur Frau umgestaltet und die dreifache Begierde, von der der erste Johannesbrief spricht (vgl. 1 Joh 2,16), hat nicht mehr die Oberhand. Man muss das Zeugnis annehmen, das vom Leben der Frauen ausgeht und Werte offenbart, ohne die sich die Menschheit in Selbstgenügsamkeit, in Machtträumen und im Drama der Gewalt einsperren würde. Auch die Frau muss sich bekehren lassen und die einzigartigen, in der Liebe zum anderen so wirksamen Werte anerkennen, deren Trägerin sie als Frau ist. In beiden Fällen handelt es sich um die Bekehrung des Menschen zu Gott, so dass sowohl der Mann als auch die Frau Gott in Wahrheit anerkennen als ihre »Hilfe«, als Schöpfer, der voll Erbarmen ist, als Erlöser, der »die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn hingab« (Joh 3,16).
Eine solche Bekehrung kann es nicht ohne demütiges Gebet geben, um von Gott jenen klaren Blick zu erhalten, der sowohl die eigene Sünde als auch die heilende Gnade erkennt. In besonderer Weise muss man die Jungfrau Maria anrufen, die Frau nach dem Herzen Gottes, »gesegnet mehr als alle anderen Frauen« (vgl. Lk 1,42) und dazu auserwählt, den Menschen, Männern und Frauen, den Weg der Liebe zu offenbaren. Nur so kann in jedem Mann und in jeder Frau, nach der je eigenen Gnade, das »Abbild Gottes« sichtbar werden, jenes heilige Bild, mit dem sie ausgezeichnet sind (vgl. Gen 1,27). Nur so kann die Straße des Friedens und des Staunens wiedergefunden werden, welche die biblische Tradition in den Versen des Hohenliedes bezeugt, in denen die Leiber und die Herzen in denselben Jubel ausbrechen.
Die Kirche weiß um die Macht der Sünde, die in den Einzelnen und in den Gesellschaftssystemen am Werk ist und manchmal dazu führen könnte, die Hoffnung auf das Gutsein von Mann und Frau zu verlieren. Aber auf Grund ihres Glaubens an den gekreuzigten und auferstandenen Christus weiß sie noch mehr um die Kraft der Vergebung und der Hingabe trotz aller Wunden und Ungerechtigkeiten. Der Friede und das Staunen, auf die sie die Männer und Frauen von heute mit Vertrauen hinweist, sind der Friede und das Staunen, die im Garten der Auferstehung unsere Welt und die ganze Geschichte erleuchtet haben mit der Offenbarung: »Gott ist die Liebe« (1 Joh 4,8.16).
Papst Johannes Paul II. hat das vorliegende Schreiben, das in der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz approbiert und seine Veröffentlichung angeordnet.
Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 31. Mai 2004, dem Fest Mariä Heimsuchung.
+ Joseph Card. Ratzinger
Präfekt
+ Angelo Amato, SDB
Titularerzbischof von Sila
Sekretär
1Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981): AAS 74 (1982) 81-191; Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988): AAS 80 (1988) 1653-1729; Brief an die Familien (2. Februar 1994): AAS 86 (1994) 868-925; Brief an die Frauen (29. Juni 1995): AAS 87 (1995) 803-812; Katechesen über die menschliche Liebe (1979-1984): Insegnamenti II (1979) - VII (1984); Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe. Hinweise zur geschlechtlichen Erziehung (1. November 1983): Ench. Vat. 9, 420-456; Päpstlicher Rat für die Familie, Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung. Orientierungshilfen für die Erziehung in der Familie (8. Dezember 1995): Ench. Vat. 14, 2008-2077.
2Zur komplexen Frage des Gender vgl. auch Päpstlicher Rat für die Familie, Familie, Ehe und »de-facto« Lebensgemeinschaften (26. Juli 2000), 8: L'Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache (22.Dezember 2000), 8.
3 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Fides et ratio (14. September 1998), 21: AAS 91 (1999) 22: »Diese Öffnung für das Geheimnis, die ihm [dem biblischen Menschen] von der Offenbarung zukam, war schließlich für ihn die Quelle einer wahren Erkenntnis, die seiner Vernunft das Eintauchen in die Räume des Unendlichen erlaubte, wodurch er bis dahin unverhoffte Verständnismöglichkeiten erhielt«.
4Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 6: AAS 80 (1988) 1662; vgl. hl. Irenäus, Adversus haereses, 5, 6, 1; 5, 16, 2-3: SC 153, 72-81; 216-221; hl. Gregor von Nyssa, De hominis opificio, 16: PG 44, 180; In Canticum homilia, 2: PG 44, 805-808; hl. Augustinus, Enarratio in Psalmum, 4, 8: CCL 38,17.
5Das hebräische Wort ezer, das mit Hilfe übersetzt wird, bezeichnet eine Hilfeleistung, die nur eine Person einer anderen Person gewährt. Der Ausdruck hat in keiner Weise den Beigeschmack des Minderwertigen oder Zweckdienlichen, wenn man bedenkt, dass auch Gott in seinem Verhältnis zum Menschen manchmal ezer genannt wird (vgl. Ex 18,4; Ps 10,14).
6 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 6: AAS 80 (1988) 1664.
7 Johannes Paul II., Katechese Der Mensch als Person wird Geschenk in der Freiheit der Liebe (16. Januar 1980), 1: Insegnamenti III, 1 (1980) 148.
8Johannes Paul II., Katechese Die Begehrlichkeit des Leibes entstellt die Beziehungen zwischen Mann und Frau (23. Juli 1980), 1: Insegnamenti III, 2 (1980) 288.
9 Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 7: AAS 80 (1988) 1666.
10Ebd., 6: a.a.O. 1663.11 Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe. Hinweise zur geschlechtlichen Erziehung (1. November 1983), 4: Ench. Vat. 9, 423.
12Ebd.
13 Hl. Irenäus, Adversus haereses, 4, 34, 1: SC 100, 846: »Omnem novitatem attulit semetipsum afferens«.
14 Die alte exegetische Tradition sieht in Maria zu Kana die »figura Synagogae« und die »inchoatio Ecclesiae«.
15 Das vierte Evangelium vertieft hier ein Thema, das schon bei den Synoptikern zu finden ist (vgl. Mt 9,15 und Parallelstellen). Zum Thema Jesus, der Bräutigam, vgl. Johannes Paul II., Brief an die Familien (2. Februar 1994), 18: AAS 86 (1994) 906-910.
16Johannes Paul II., Brief an die Familien (2. Februar 1994), 19: AAS 86 (1994) 911; vgl. Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 23-25: AAS 80 (1988) 1708-1715.
17Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 16: AAS 74 (1982) 98-99.
18Ebd., 41: a.a.O. 132-133; Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Donum vitae (22. Februar 1987), II, 8: AAS 80 (1988) 96-97.
19Vgl. Johannes Paul II., Brief an die Frauen (29. Juni 1995), 9-10: AAS 87 (1995) 809-810.
20Johannes Paul II., Brief an die Familien (2. Februar 1994), 17: AAS 86 (1994) 906.
21Enzyklika Laborem exercens (14. September 1981), 19: AAS 73 (1981) 627.
22Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Ordinatio sacerdotalis (22. Mai 1994): AAS 86 (1994) 545-548; Kongregation für die Glaubenslehre, Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben »Ordinatio sacerdotalis« vorgelegten Lehre (28. Oktober 1995): AAS 87 (1995) 1114.
(Quelle: http://www.doctrinafidei.va/documents/rc_con_cfaith_doc_20040731_collaboration_ge.html)
Forum Deutscher Katholiken
Der Kongress des "Forums Deutscher Katholiken" gibt zu den Thema "Christen müssen Europa gestalten" folgende Erklärung ab:
"Gender-Mainstreaming" löst die Geschlechtsidentität von Mann und Frau auf
"Gender-Mainstreaming" ist seit 1999 "Leitprinzip und Querschnittsaufgabe" der Bundesregierung Deutschland. Über diese verbindliche Zielvorgabe hat es weder eine öffentliche Debatte noch eine parlamentarische Entscheidung gegeben. Der Begriff "gender" ist den Wählern so gut wie unbekannt.
"Die Gender-Perspektive" behauptet, das "soziale Geschlecht" (gender) sei unabhängig vom biologischen Geschlecht. Es gehöre zur Freiheit des Menschen, sein Geschlecht und seine sexuelle Orientierung zu wählen, also selbst zu bestimmen, ob er Mann oder Frau sein und hetero-, homo-, bi- oder transsexuell leben wolle. Unter dem Deckmantel der "Gleichstellungspolitik" wird die Geschlechtsidentität von Mann und Frau aufgelöst. Das Fach "Gender-Studies" wird an fast allen Universitäten gelehrt und zunehmend zum Pflichtfach für alle Studiengänge. Die Gender-Ideologie ist bereits in die Lehrpläne der Schulen und Kindergärten eingedrungen. Ihr sozialrevolutionärer Kern ist die Sexualisierung der Kinder und Jugendlichen durch den staatlichen Sexualkundeunterricht.
Es handelt sich um eine kulturelle Revolution der internationalen Homo- und Lesbenorganisationen zur Schaffung des neuen Gender-Menschen. Sie wird von der UN, der EU und dem Staat mit aller Macht durchgesetzt. Zunehmend wird Widerstand ausgeschaltet und international durch Antidiskriminierungsgesetze als "Homophobie" kriminalisiert. Gender-Mainstreaming steht in Widerspruch zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Biologie, Neurologie und Psychologie über die natürliche Geschlechtsdifferenz von Mann und Frau. Der Versuch des Staates, über Erziehung und Ausbildung die Geschlechtsidentität der Kinder und Jugendlichen zu verändern, ist ein illegitimer Missbrauch staatlicher Macht. Zu diesem Missbrauch gehört auch die strategische Veränderung der Sprache.
Gender-Mainstreaming
zielt auf die Zerstörung der Familie an der Wurzel, denn die Familie beruht auf der Ergänzung von Mann und Frau in der Ehe und auf deren Bereitschaft, Kinder zu bekommen und sie als Vater und Mutter zu verantwortungsvollen und leistungsfähigen Menschen zu erziehen.
ist eine schleichende Aushöhlung des Verfassungsauftrages, welcher den Staat zum besonderen Schutz von Ehe und Familie verpflichtet.
richtet sich gegen die Frau, weil es das feministische, am Mann orientierte Frauenbild durchsetzt und die Mutter materiell und ideell entwertet.
richtet sich gegen den Mann, weil es Mädchen und Frauen systematisch bevorzugt und dem Mann Autorität und Einfluss nimmt, indem es ihn verweiblichen will.
richtet sich gegen das Kind, weil es die Abtreibung zum "Menschenrecht" erklärt und die Auflösung der Familie betreibt.
ist die atheistische Ideologie unserer Zeit. Sie rebelliert gegen die Schöpfungsordnung und bekämpft das Christentum.
beschleunigt die demographische Krise und den kulturellen Verfall.
Wir fordern jeden Bürger zum Widerstand gegen Gender-Mainstreaming auf, insbesondere gegen die Vermittlung im Sexualkundeunterricht.
Wir fordern die Politiker auf, statt Gender-Mainstreaming die reale Stärkung der Familie zum Leitprinzip und zur Querschnittsaufgabe der Politik zu machen, damit der kulturelle Niedergang und die demographische Krise langfristig überwunden werden können.
Wir fordern die Bischöfe auf, ihrer Hirtenpflicht nachzukommen und das Volk vor den Versuchen, einen neuen geschlechtsvariablen Menschen zu schaffen, zu schützen.
Fulda, am 13. September 2008
Forum Deutscher Katholiken
(Quelle: http://www.forum-deutscher-katholiken.de/index.php?item=declarations/decl-20080913-gender)
Hintergrund Gender Mainstreaming
Schon 1985 stellte man auf der 3. Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen in Nairobi Gender Mainstreaming als politische Strategie vor. Einige Jahre später, 1999, verpflichtete dann der Amsterdamer Vertrag die EU-Mitgliedsstaaten rechtlich zur Umsetzung des Gender Mainstreaming im Sinne einer aktiven Gleichstellungspolitik.
Zunächst hört sich Gender Mainstreaming ja ganz gut an: man sollte Männer und Frauen nicht in traditionelle Geschlechterrollen zwängen, was etwa Familie und Beruf betrifft. Was aber heißt dieses "gleich" in "Gleichstellung" von Mann und Frau genau?
Verfechter von Gender Mainstreaming führen hier an, niemand solle aufgrund seines Geschlechts berufliche oder sonstige Nachteile erleiden müssen. So weit, so gut - das ist eine legitime Sache. Heißt diesses "gleich" nun aber lediglich, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte und Chancen haben sollen, oder dass sie wesensgleich sind? Gerade radikale Feministinnen argumentieren hier, dass eine wirkliche Freiheit nur dann erreicht wird, wenn auch Gleichheit im Geschlecht besteht und Unterschiede hier beseitigt werden (zumindest so, dass sie nicht mehr erkennbar sind). Ein bioligischer Unterschied zwischen Mann und Frau wird hier als konstruiert gesehen.
Christen sehen dass anders: Männer und Frauen sind sehr wohl gleich viel wert - sie sind aber nicht dasselbe! Männer und Frauen sind voneinander unterschiedlich - und dieser Unterschied ist von Gott gewollt und gut so. Er dient dem Besten von Mann, Frau und Kindern im Rahmen einer Familie und spiegelt den Bund wieder, den Gott mit uns Menschen eingegangen ist. So wie Christus sein Leben hingegeben hat für seine Braut, die Kirche, so soll ein Mann sich selbst in lebensspendender weise seiner Frau hingeben. Und so wie Christus das Haupt der Kirche ist, ist der Mann das Haupt der Familie. Er führt sie in bedingungsloser und selbstloser Liebe - und ebenso wie Christus würde er auch sein Leben für sie geben! Eine Ehe ist wie ein gemeinsamer Tanz - und wie bei einem Tanz kann nur einer führen - sonst gibt es blaue Zehen!
Verfechter des Gender-Mainstreaming sagen nun, ihnen würde es um Vielfalt gehen, nicht um eine Uniformität oder Gleichmacherei. Oder eine Polarität (Mann und Frau). Es gäbe eben verschiedene Formen von Männlichkeit und Weiblichkeit.
Das Problem hierbei - und hierauf hat Dr. Robert Lewis von www.mensfraternity.com zu Recht hingewiesen: Wenn Männer nicht mehr wissen, was es heißt, ein Mann zu sein, was einen Mann ausmacht, welche Rollen und Aufgaben er in Familie, Beruf, Gesellschaft und Kirche hat, dan sind Männer hinsichtlich ihrer Identität sehr verwirrt. Und verwirrte Männer können eine Menge Schaden anrichten - man vergleiche nur einmal die Zahl der Männer in unseren Gefängnissen mit der Zahl der Frauen!
Manch einer mag nun einwenden, dass es in Gal 3,28 doch heisse: " Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid «einer» in Christus Jesus." (Einheitsübersetzung) und somit eine klare Rollenverteilung für Christen nicht angebracht ist.
Derartige Interpretiationen von Bibelversen entstehen, wenn man Bibelverse isoliert und völlig aus dem Zusammenhang gerissen betrachtet. Leider begehen auch Theologen diesen Fehler oft. Liest man das Kapitel 2 des Galaterbriefes und die Verse vor 3,1-27, versteht man schnell, dass es hier nicht um das Rollenverständnis von Mann und Frau geht, sondern um Werke des Gesetzes (also etwa Beschneidung) im Gegensatz zur Taufe in Christus, durch die wir neue Menschen werden - unabhängig davon, ob wir nun Juden, Griechen, Männer oder Frauen sind. Als in Christus Getaufte sind wir gerechtfertigt und somit eins - Brüder und Schwestern. Das heißt aber keineswegs, dass der Unterschied von Männern und Frauen aufgehoben wurde! Jesus selbst hat männliche Apostel berufen. Die Apostel wiederum haben mehrmals klar auf den Unterschied von Mann und Frau hingewiesen, gleichzeitig die Männer auch aufgefordert, ihre Frauen zu lieben! Dies ist auch keineswegs ein kultureller Umstand, der nur zur damaligen Zet galt, sondern ein roter Faden, der sich über tausende von Jahren durch die ganze Bibel zieht - in unterschiedlichsten Kulturen!
Jesus selbst nahm auf die (Fang-)Frage hin, ob sich ein Mann unter bestimmten Voraussetzungen von einer Frau scheiden lassen darf, klar auf Genesis Bezug - auf den Idealzustand zu Beginn und Gottes Plan für Männer und Frauen! Er bestätigte diesen somit und schuf damit einen Standard für alle Ewigkeit!
Sehen wir uns diesen Jesus näher an: Er ist wesensgleich mit dem Vater (also gleich viel "wert") - ordnete sich diesem aber unter!
Männer und Frauen sind geich viel wert - aber sie sind nicht dasselbe. Und dieser Unterschied ist gut so!
(Quelle: u.a. Dr. Robert Lewis (www.mensfraternity.com). Adam Online - Emmerich Adam. Ausgezeichneter Artikel von einem ausgezeichneten Autor in einer ausgezeichneten Zeitung! http://www.adam-online-magazin.de/Artikelansicht.41.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=96&tx_ttnews[backPid]=9&cHash=9daf15ce2c)

Dad
it is so important that men spend time with their fathers. Has your father ever told you the three things that every son should hear from his father: that he loves you, that he is proud of you and that you are good at something (see also www.mensfraternity.com)?
If not so, you should ask him whether he loves you. Call him today (!), set an appointment for both of you guys (and nobody else!) to go to some place for the weekend. And then ask him all the questions you have always wanted to ask him. Like if he loves you. Don't let him get off with cheap responses like "Well, you know I love all of my kids.". Ask him if he loves YOU. Men need to hear that so badly they carry the hurt of not having heard it for the rest of their lives with them. This hurt, however, might surface in a violent and dramatic way at some pint. It could be that we hurt ourselves or others just to cope with the pain. It could be that we never learn how to love somebody else just because we haven't experienced it at first place. It could also be that this afflicts the way we see God.
I very much recommend doing that - spending some good quality time with dad. My father is dead. He died in 1994 and I very much regret not having done that in his living years.
But somehow the Lord always gives us second chances - as strange as this might sound.
Some two years ago I was in a town in Southern Germany where there is a huge pilgramage. I was with some friars and they sent me with one of them to sit at a table besides one of the roads where about 7.000 or more people would pass by.
So I did and we talked to many pilgrims.
At some point, some young fellows came to our table. I asked them where they were from and they gave me the name of a small village about five miles from where I was born. I told them that the ancestors from my father's side came from their village. And so we got into talking.
After a while they left - to return with an old man in their midst. One of the young fellows pointed at me and said: "That's him!" The old man looked at me and said, "So your guys are from our village". I answered, "Yes, sir.".
He looked me straight in the eyes and asked: "Are you Sepp's son?" ("Sepp" is the short version for Joseph over here. And this is how my father was called!).
I was petrified. My father died about 13 years before that incident, so what the heck was going on there?
I kinda stuttered that yes, I was Sepp's son.
The old man told me he knew my father from the farm in another small village.
I almost fainted. The friar at my side looked at me. I guess he could tell there was something dramatic going on.
And it was. My father was born in 1928. At the age of nine, his mother died and the kids were sent to other places as his dad was in the war. There was no other way for the children to survive.
My dad came to a farm. He had to sleep under the roof with a hole in it where the snow came in at winter time. And he had to work very hard there, but he survived.
So this old man knew my father from back then! He even gave me the name of the village and the name of the farmer who I had seen once in my life.
I was so stunned I couldn't even really talk. He gave me a warm smile, turned away and left.
To me, this was like a message from the past. A message that reminded me that we are not an island in this world, that our ancestors and most especially our father will always be a part of our lives, even though they are dead. The "cloud of witnesses" Hebrews talks of is always around us.
After the man left, I turned to the friar and explained everything to him. He was amazed, too.
I kept on serving with the friars. After a while, I joined the shift with a young friar and we served in one of the churches.
We had a little room opposite the entrance from where we got in contact with the pilgrims.
After some time, it was about to leave for lunch and we closed the window that connected us with the entrance.
Then, we heard somebody knocking onto that window. First we ignored it, but the knocking persisted.
I opened to see what stubborn guy would do such a thing - and I could not believe my eyes.
My uncle stood there. He knew I was in town, but neither he nor I knew that I was in that room at that moment. Besides it was shut so nobody could even tell there was someone in.
That day has marked me and I will never forget it. Everything that happens in our lives happens for a reason and at somepoint we will look back at it and see God's guiding hand going throught it like a red threat.
God bless,
Robert
Dient Gender Mainstreaming der Geschlechtergerechtigkeit?
Ich möchte nicht bestreiten, dass einzelne Menschen dies so sehen und anstreben; das ist aber - nur auf dem ersten Blick! - eine "Nebenwirkung" von Gender-Mainstreaming. Wie das Wort "Mainstreaming" schon sagt, soll hier das, was vorher verschieden war (Mann und Frau als gleichwertige, aber nicht gleichartige Menschen) zu einem "("main") "Strom" ("stream") zusammengeführt werden - mit dem Ziel, die (von Gott gewollte und für gut befundene!) Andersartigkeit der Geschlechter zugunsten eines von jedem selbst zu definierenden Etwas aufzuheben. Mit verheerenden Folgen, denn die Andersartigkeit entspricht - im Gegensatz zur Gleichartigkeit des Gender Mainstreaming - unserem innersten Wesen. Dies verändern zu wollen, kann nicht ohne dramatische Folgen für die Gesellschaft als solche geschehen - in psychischer, psychosomatischer, sozialer und spiritueller Hinsicht. Mit anderen Worten: Mann und Frau sind in den Augen Gottes gleich viel wert - aber nicht dasselbe. Diese Andersartigkeit ist nicht nur gut, sondern zum Erhalt einer gesunden Gesellschaft notwendig. Ein Aufheben derselben bringt nur insofern "Gerechtigkeit", als dies die Unterschiede der Geschlechter auszulöschen versucht, um so beiden die gleichen "Chancen" zu geben. Dies ist jedoch nichts Positives. Anstatt die beiden Geschlechter in ihrer Andersartigkeit anzuerkennen und wert zu schätzen, indem man genau diese Andersartigkeit positiv bewertet und fördert, wird versucht, gleichzumachen, was nicht gleich ist - oder etwas der Definition des Einzelnen zu überlassen, was individuell nicht definiert werden kann (etwa das Geschlecht). Dies führt nicht zu einer "Chancengleichheit" oder "Geschlechtergerechtigkeit", sondern ist von beiden Geschlechtern mit einem hohen Preis zu bezahlen.
Robert
GEMEINSCHAFT UND DIENSTLEISTUNG
INTERNATIONALE THEOLOGISCHE KOMMISSION
GEMEINSCHAFT UND DIENSTLEISTUNG*
Die menschliche Person – geschaffen nach dem Bilde Gottes
Vorbemerkung
Einführung
Kapitel I
Die menschliche Person – geschaffen nach dem Bilde Gottes
1. imago Dei in Schrift und Tradition
2. Die moderne Kritik an der Theologie der imago Dei
3. Die imago Dei auf dem II. Vatikanischen Konzil und in der gegenwärtigen Theologie
Kapitel II
Nach dem Bilde Gottes: Personen in Gemeinschaft
1. Leib und Seele
2. Mann und Frau
3. Person und Gemeinschaft
4. Sünde und Heil
5. imago Dei und imago Christi
Kapitel III
Nach dem Bilde Gottes: Dienstleistung an der der sichtbaren Schöpfung
1. Wissenschaft und Dienstleistung im Bereich des Wissens
2. Verantwortung für die geschaffene Welt
3. Verantwortung für die biologische Integrität des Menschen
Schluß
Vorbemerkung
Das Thema „Der Mensch – geschaffen nach dem Bilde Gottes“ wurde der Internationalen Theologischen Kommission zur Untersuchung vorgelegt. Die Vorbereitung dieser Studie wurde einer Unterkommission anvertraut, die aus folgenden Mitgliedern bestand: P. J. Augustine Di Noia OP, P. Jean-Louis Bruguès OP, Msgr. Anton Strukelj, P. Tanios Bou Mansour OLM, P. Adolpe Gesché, P. Willem Jacobus Eijk, P. Fadel Sidarouss SJ, P. Shunichi Takayanagi SJ.
Während der Text entstand, wurde er bei zahlreichen Treffen der Unterkommission und bei mehreren Vollversammlungen der Internationalen Theologischen Kommission in Rom zwischen 2000 und 2002 diskutiert. Der vorliegende Text wurde auf dem Weg schriftlicher Abstimmung in forma specifica verabschiedet. Er wurde Joseph Kardinal Ratzinger, dem Präsidenten der Kommission, unterbreitet, und dieser gab die Erlaubnis zur Veröffentlichung.
* Es ist nicht leicht, für das englische Wort „stewardship“ eine angemessene deutsche Übersetzung zu finden. Der Titel des Dokuments nimmt das Wortpaar communio et ministratio in LG 4 auf; dort heißt es, daß der Geist Gottes die Kirche „in Gemeinschaft und Dienstleistung“ eint. Neben ministratio wird auch ministerium in LG wiederholt mit „Dienstleistung“ übersetzt. Dieses Wort verbindet eine spezifisch kirchliche Berufung in ihrer sakramentalen wie in ihrer charismatischen Dimension mit einem Begriff, der auch im weiteren Sinne im gesellschaftlichen Leben gebräuchlich ist. „Stewardship“ wird also im Folgenden, soweit als möglich, mit „Dienstleistung“ wiedergegeben. Wo von „steward“ oder „stewardship“ im biblischen Kontext gesprochen oder eine theologische Umschreibung der Dienstleistung gegeben wird, ist die Übersetzung „Treuhänder“ / „treuhänderische Verwaltung“ gewählt.
* * *
EINFÜHRUNG
1. Die Explosion wissenschaftlichen Verstehens und technischer Fähigkeiten in der Moderne hat dem Menschengeschlecht viele Vorteile gebracht, sie stellt aber auch ernste Herausforderungen. Unser Wissen von der Unermeßlichkeit und dem Alter des Universums hat den Menschen kleiner erscheinen lassen und weniger gesichert in seiner Stellung und Bedeutung im All. Technologische Fortschritte haben unsere Fähigkeit, die Kräfte der Natur zu kontrollieren und zu steuern, sehr gesteigert, doch es hat sich auch herausgestellt, daß sie einen unerwarteten und möglicherweise unkontrollierbaren Einfluß auf unsere Umwelt und sogar auf uns selbst haben.
2. Die Internationale Theologische Kommission bietet die folgenden theologischen Überlegungen zur Lehre von der Gottebenbildlichkeit (imago Dei) an, um unserem Nachdenken über den Sinn der menschlichen Existenz angesichts dieser Herausforderungen eine Orientierung zu geben. Gleichzeitig möchten wir die positive Sicht der menschlichen Person innerhalb des Universums vorstellen, die diese neuerdings wiederbelebte Lehre bietet.
3. Besonders seit dem II. Vatikanischen Konzil begann die Lehre von der imago Dei in lehramtlichen Äußerungen und theologischer Forschung stärker in den Vordergrund zu treten. Zuvor hatten verschiedene Faktoren dazu geführt, daß die Theologie der imago Dei unter modernen westlichen Philosophen und Theologen vernachlässigt wurde. In der Philosophie wurde der Begriff des Bildes als solcher einer machtvollen Kritik durch Erkenntnistheorien unterworfen, die entweder die Rolle der Idee auf Kosten des Bildes bevorzugten (Rationalismus) oder die Erfahrung zum letzten Kriterium der Wahrheit machten, ohne auf die Rolle des Bildes Bezug zu nehmen (Empirismus). Außerdem haben kulturelle Faktoren wie etwa der Einfluß des säkularen Humanismus und neuerdings gerade die Überflutung mit Bildern durch die Massenmedien es erschwert, die Ausrichtung des Menschen auf das Göttliche einerseits und andererseits den ontologischen Bezug des Bildes zu bejahen, die für jede Theologie der imago Dei wesentlich sind. Zur Vernachlässigung des Themas innerhalb der westlichen Theologie selbst trugen biblische Interpretationen bei, die die bleibende Bedeutung des Bilderverbotes betonten (vgl. Ex 20,3–4) oder einen hellenistischen Einfluß auf die Entwicklung des Themas in der Bibel behaupteten.
4. Erst am Vorabend des II. Vatikanischen Konzils begannen Theologen die Fruchtbarkeit dieses Themas zum Verständnis und zur Darstellung der Geheimnisse des christlichen Glaubens wieder zu entdecken. Tatsächlich bringen die Dokumente des Konzils diese bedeutsame Entwicklung in der Theologie des 20. Jahrhunderts zum Ausdruck und bestärken sie zugleich. In Kontinuität mit der vertiefenden Wiederherstellung des Themas der imago Dei seit dem II. Vatikanischen Konzil versucht die Internationale Theologische Kommission auf den folgenden Seiten erneut die Wahrheit zu bekräftigen, daß die menschliche Person nach dem Bilde Gottes erschaffen ist, um sich der personalen Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist und in ihnen der Gemeinschaft miteinander zu erfreuen, sowie auch um im Namen Gottes eine verantwortliche Dienstleistung an der geschaffenen Welt wahrzunehmen. Im Licht dieser Wahrheit erscheint die Welt nicht mehr allein als unermeßlich und möglicherweise sinnlos, sondern als Ort, der um der personalen Gemeinschaft willen erschaffen ist.
5. Wie wir in den folgenden Kapiteln nachzuweisen versuchen, haben diese tiefen Wahrheiten weder ihre Bedeutung noch ihre Kraft verloren. Nach einem summarischen Überblick in Kapitel I über die Grundlage der imago Dei in Schrift und Tradition gehen wir zu einer Untersuchung der beiden großen Themen einer Theologie der imago Dei über: die imago Dei als Grundlage für die Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott und die Gemeinschaft der menschlichen Personen untereinander (Kapitel II), dann die imago Dei als Grundlage, um an Gottes Herrschaft über die sichtbare Schöpfung teilzunehmen (Kapitel III). Diese Reflexionen verbinden die Hauptelemente christlicher Anthropologie mit gewissen Elementen der Moraltheologie und Ethik, wie sie durch die Theologie der imago Dei erhellt werden. Wir sind uns der Breite der Fragestellungen, die wir hier anzusprechen versucht haben, sehr wohl bewußt, doch bieten wir diese Überlegungen an, um uns selbst und unseren Lesern die immense Erklärungskraft der Theologie der imago Dei in Erinnerung zu rufen, um so die göttliche Wahrheit über das Universum und über den Sinn des menschlichen Lebens neu zu bekräftigen.
KAPITEL I
DIE MENSCHLICHE PERSON –
GESCHAFFEN NACH DEM BILDE GOTTES
6. Wie das Zeugnis von Schrift, Tradition und Lehramt klar zeigt, gehört die Wahrheit, daß der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, ins Herz der christlichen Offenbarung. Diese Wahrheit wurde anerkannt und in ihren weitläufigen Folgen ausgelegt durch die Kirchenväter und durch die großen scholastischen Theologen. Obwohl diese Wahrheit, wie wir später sehen werden, von einigen einflußreichen modernen Denkern infragegestellt wurde, gehen heute Bibelwissenschaftler und Theologen mit dem Lehramt darin einig, die Lehre von der imago Dei einzufordern und neu zu bekräftigen.
2. imago Dei in Schrift und Tradition
7. Mit wenigen Ausnahmen erkennen heute die meisten Exegeten an, daß das Thema der imago Dei für die biblische Offenbarung zentral ist (vgl. Gen 1,26f.; 5,1–3; 9,6). Das Thema wird als Schlüssel für das biblische Verständnis der menschlichen Natur und für alle Aussagen biblischer Anthropologie im Alten wie im Neuen Testament betrachtet. Für die Bibel bildet die imago Dei geradezu eine Definition des Menschen: Das Geheimnis des Menschen läßt sich nicht erfassen unabhängig vom Geheimnis Gottes.
8. Das alttestamentliche Verständnis des Menschen als geschaffen nach dem Bilde Gottes spiegelt teilweise die alte Idee des Vorderen Orient wider, daß der König das Bild Gottes auf Erden sei. Das biblische Verständnis hebt sich jedoch davon ab, indem es die Auffassung vom Bild Gottes auf alle Menschen ausweitet. Ein zusätzlicher Kontrast zum alten Denken des Vorderen Orient besteht darin, daß die Bibel den Menschen nicht in erster Linie darauf ausgerichtet sieht, die Götter zu verehren, sondern die Erde zu kultivieren (vgl. Gen 2,15). Indem die Bibel Kult und Kultivierung unmittelbarer verbindet als zuvor, versteht sie die menschliche Tätigkeit an den sechs Tagen der Woche in Hinordnung auf den Sabbat, einen Tag des Segens und der Heiligung.
9. Zwei Themen verbinden sich, um der biblischen Perspektive Gestalt zu geben. Erstens wird der ganze Mensch als geschaffen nach dem Bilde Gottes betrachtet. Diese Perspektive schließt Interpretationen aus, die die imago Dei in dem einen oder anderen Aspekt der menschlichen Natur ansiedeln (z.B. in seiner aufrechten Haltung oder in seinem Intellekt) oder in einer seiner Eigenschaften oder Funktionen (z.B. in seiner sexuellen Natur oder seiner Herrschaft über die Welt). Die Bibel vermeidet sowohl den Monismus als auch den Dualismus und bietet damit eine Sicht des Menschen, in der das Geistliche als eine Dimension verstanden wird, die mit der physischen, sozialen und historischen Dimension des Menschen einhergeht.
10. Zweitens zeigen die Schöpfungsberichte im Buch Genesis klar, daß der Mensch nicht als isoliertes Individuum geschaffen ist: „Gott schuf den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn, als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27). Gott setzte die ersten Menschen in Beziehung zueinander, jeweils zu einem Partner des anderen Geschlechts. Die Bibel bekräftigt, daß der Mensch in Beziehung zu anderen Personen existiert: zu Gott, zur Welt und zu sich selbst. Dieser Konzeption entsprechend ist der Mensch nicht ein isoliertes Individuum, sondern eine Person – ein wesentlich relationales Wesen. Der grundlegend relationale Charakter der imago Dei zieht keineswegs einen reinen Aktualismus nach sich, der ihren bleibenden ontologischen Status leugnen würde. Vielmehr konstituiert dieser relationale Charakter der imago Dei selbst deren ontologische Struktur und die Basis für die Ausübung ihrer Freiheit und Verantwortung.
11. Das geschaffene Bild, von dem das Alte Testament spricht, muß gemäß dem Neuen Testament in der imago Christi vervollkommnet werden. In der neutestamentlichen Entwicklung dieses Themas tauchen zwei unterschiedliche Elemente auf: der christologische und trinitarische Charakter der imago Dei und die Rolle sakramentaler Vermittlung in der Bildung der imago Christi.
12. Da Christus selbst das vollkommene Bild Gottes ist (2 Kor 4,4; Kol 1,15; Hebr 1,3), muß der Mensch ihm angeglichen werden (Röm 8,29), um Sohn des Vaters durch die Kraft des Heiligen Geistes zu werden (Röm 8,23). In der Tat, Bild Gottes zu „werden“, erfordert von Seiten des Menschen eine aktive Mitwirkung an seiner Umwandlung nach dem Modell des Bildes des Sohnes (Kol 3,10), der seine Identität durch die geschichtliche Bewegung von seiner Inkarnation bis zu seiner Herrlichkeit erweist. Nach dem Modell, das zuerst vom Sohn ausgestaltet wurde, wird das Bild Gottes in jedem Menschen herausgebildet durch dessen eigenen geschichtlichen Durchgang von der Schöpfung über die Abkehr von der Sünde bis hin zu Heil und Vollendung. Ebenso wie Christus sein Herrsein über Sünde und Tod durch sein Leiden und seine Auferstehung erwies, erreicht jeder Mensch sein Herrsein durch Christus im Heiligen Geist – nicht nur als Herrschaft über die Erde und das Tierreich (wie das Alte Testament besagt), sondern hauptsächlich über Sünde und Tod.
13. Gemäß dem Neuen Testament wird diese Umwandlung in das Bild Christi erlangt durch die Sakramente, in erster Linie als Auswirkung der Erleuchtung durch die Botschaft Christi (2 Kor 3,18–4,6) und aufgrund der Taufe (1 Kor 12,13). Gemeinschaft mit Christus ist eine Folge des Glaubens an ihn und der Taufe, durch die man dem alten Menschen stirbt durch Christus (Gal 3,26–28) und den neuen Menschen anzieht (Gal 3,27; Röm 13,14). Das Bußsakrament, die Eucharistie und die übrigen Sakramente festigen und stärken uns in dieser radikalen Umwandlung nach dem Modell von Christi Leiden, Tod und Auferstehung. Geschaffen nach dem Bilde Gottes und vollendet im Bild Christi durch die Kraft des Heiligen Geistes in den Sakramenten werden wir in Liebe umfangen durch den Vater.
14. Die biblische Sicht des Bildes Gottes nahm weiterhin einen bevorzugten Platz in der christlichen Anthropologie bei den Kirchenvätern und in der späteren Theologie ein, bis hin zum Beginn der Neuzeit. Ein Hinweis auf die zentrale Rolle dieses Themas findet sich im Bestreben der frühen Christen, das biblische Verbot künstlerischer Darstellungen Gottes (vgl. Ex 20,2f.; Dtn 27,12) im Licht der Inkarnation zu interpretieren. Denn das Geheimnis der Menschwerdung bewies die Möglichkeit, den Mensch gewordenen Gott in seiner menschlichen und geschichtlichen Wirklichkeit darzustellen. Die Verteidigung der künstlerischen Darstellung des fleischgewordenen Wortes und der Heilsereignisse während der ikonoklastischen Streitigkeiten des 7. und 8. Jahrhunderts beruhte auf einem tiefen Verstehen der hypostatischen Union, die eine Trennung zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen im „Bild“ ablehnte.
15. Die patristische und die mittelalterliche Theologie wichen an gewissen Punkten von der biblischen Anthropologie ab und entwickelten sie in anderen Punkten weiter. Mehrheitlich übernahmen zum Beispiel die Vertreter der Tradition die biblische Sicht, die das Bild mit der Gesamtheit des Menschen identifizierte, nicht vollständig. Eine bedeutsame Weiterentwicklung der biblischen Darstellung war die Unterscheidung zwischen Bild (imago) und Ähnlichkeit (similitudo), die der hl. Irenäus einführte; demzufolge bezeichnet „Bild“ eine ontologische Teilhabe (methexis) und „Ähnlichkeit“ (mimêsis) eine moralische Umwandlung (Adv. haer. V,6,1; V,8,1; V,16,2). Nach Tertullian schuf Gott den Menschen nach seinem Bild und gab ihm den Lebensatem als seine Ähnlichkeit. Während das Bild nie zerstört werden kann, kann die Ähnlichkeit durch die Sünde verloren werden (Bapt. 5,6.7). Der hl. Augustinus nahm diese Unterscheidung nicht auf, sondern stellte die imago Dei auf stärker personalistische, psychologische und existentielle Weise dar. Für ihn hat das Bild Gottes im Menschen eine trinitarische Struktur, die entweder die dreiteilige Struktur der menschlichen Seele (Geist, Selbstbewußtsein und Liebe) oder die drei Aspekte der Seele (Gedächtnis, Einsicht und Wille) widerspiegelt. Nach Augustinus richtet das Bild Gottes im Menschen ihn in Anrufung, Erkenntnis und Liebe auf Gott aus (Conf. I,1,1).
16. Bei Thomas von Aquin besitzt die imago Dei einen geschichtlichen Charakter, denn sie durchläuft drei Stadien: die imago creationis (naturae), die imago recreationis (gratiae), und die imago similitudinis (gloriae) (S.Th. I q.93 a.4). Für den Aquinaten ist die imago Dei die Grundlage für die Teilhabe am göttlichen Leben. Das Bild Gottes wird hauptsächlich in einem Akt der Anschauung im Intellekt verwirklicht (S.Th. I q.93 a.4 und 7). Diese Konzeption kann von derjenigen Bonaventuras unterschieden werden, für den das Bild zuhöchst durch den Willen verwirklicht wird im religiösen Akt des Menschen (Sent. II d.16 a.2 q.3). Innerhalb einer ähnlichen mystischen Sicht, jedoch mit größerer Kühnheit neigt Meister Eckhart zu einer Spiritualisierung der imago Dei, indem er sie auf der Seelenspitze ansiedelt und vom Leib loslöst (Quint I,5,5–7; V,6.9f.).
17. Die reformatorischen Streitigkeiten zeigten, daß die Theologie der imago Dei sowohl für protestantische als auch für katholische Theologen bedeutsam blieb. Die Reformatoren warfen den Katholiken vor, das Bild Gottes auf eine imago naturae zu reduzieren, die eine statische Konzeption der menschlichen Natur darstelle und den Sünder ermutige, sich vor Gott selbst zu begründen. Auf der anderen Seite warfen die Katholiken den Reformatoren vor, die ontologische Wirklichkeit des Bildes Gottes zu leugnen und es auf eine reine Relation zu reduzieren. Außerdem bestanden die Reformatoren darauf, daß das Bild Gottes durch die Sünde verdorben sei, während katholische Theologen die Sünde als Verwundung des Bildes Gottes im Menschen ansahen.
2. Die moderne Kritik an der Theologie der imago Dei
18. Bis zum Anbruch der Moderne behielt die Theologie der imago Dei ihre zentrale Stellung in der theologischen Anthropologie. Durch die Geschichte des christlichen Denkens hindurch war die Kraft und Faszination dieses Themas so groß, daß es standhalten konnte gegenüber vereinzelten kritischen Angriffen (wie zum Beispiel gegenüber dem Ikonoklasmus), die den Vorwurf erhoben, daß sein Anthropomorphismus Götzendienst begünstige. In der Moderne geriet die Theologie der imago Dei allerdings unter eine nachhaltigere und systematischere Kritik.
19. Die von der modernen Naturwissenschaft vorgetragene Sicht des Universums verdrängte den klassischen Begriff eines nach dem göttlichen Bild hervorgebrachten Kosmos und verdrängte auf diese Weise einen großen Teil des begrifflichen Rahmens, der die Theologie der imago Dei trägt. Das Motiv wurde von den Empiristen als schwerlich der Erfahrung angemessen, von den Rationalisten als vieldeutig betrachtet. Bedeutsamer unter den Faktoren, die die Theologie der imago Dei untergruben, war jedoch die Auffassung vom Menschen als einem sich selbst begründenden autonomen Subjekt, unabhängig von jeder Beziehung zu Gott. Mit dieser Entwicklung konnte der Begriff der imago Dei nicht aufrechterhalten werden. Es war nur noch ein kurzer Schritt von diesen Ideen zu der Umkehrung der biblischen Anthropologie, die verschiedene Formen annahm im Denken von Ludwig Feuerbach, Karl Marx und Sigmund Freud: Es ist nicht der Mensch, der nach dem Bilde Gottes hervorgebracht ist, sondern Gott, der nichts ist als ein vom Menschen projiziertes Bild. Schließlich schien der Atheismus erforderlich zu sein, wenn der Mensch selbstbegründend sein sollte.
20. Zunächst war das Klima der westlichen Theologie im 20. Jahrhundert für das Motiv der imago Dei ungünstig. Die eben erwähnten Entwicklungen des 19. Jahrhunderts vorausgesetzt, war es vielleicht unvermeidlich, daß einige Formen dialektischer Theologie das Thema als Ausdruck menschlicher Anmaßung betrachteten, in der der Mensch sich mit Gott mißt oder sich ihm gleichstellt. Die existentielle Theologie mit ihrem Nachdruck auf dem Ereignis der Begegnung mit Gott untergrub die Vorstellung einer dauerhaften oder bleibenden Beziehung zu Gott, wie sie die Lehre von der imago Dei mit sich bringt. Die Theologie der Säkularisierung verwarf die Auffassung eines objektiven Verweiszusammenhangs in der Welt, der den Menschen im Hinblick auf Gott situiert. Der „Gott ohne Eigenschaften“ – in Wirklichkeit ein unpersönlicher Gott –, den einige Ausprägungen der negativen Theologie sich zu eigen machten, konnte nicht als Modell für den nach seinem Bild hervorgebrachten Menschen dienen. In der politischen Theologie mit ihrem ausschlaggebenden Interesse an der Orthopraxis geriet das Motiv der imago Dei aus dem Blick. Schließlich warfen säkulare und theologische Kritiker gemeinsam der Theologie der imago Dei vor, eine Mißachtung der natürlichen Umwelt und des Wohlergehens der Tiere zu fördern.
3. Die imago Dei auf dem II. Vatikanischen Konzil und in der gegenwärtigen Theologie
21. Trotz dieser ungünstigen Strömungen stieg das Interesse an der Wiederherstellung der Theologie der imago Dei während der Mitte des 20. Jahrhunderts stetig an. Intensive Studien der Heiligen Schrift, der Kirchenväter und der großen scholastischen Theologen riefen ein erneuertes Bewußtsein der Allgegenwart und Bedeutung des Motivs der imago Dei hervor. Diese Wiederherstellung war unter katholischen Theologen im Vorfeld des II. Vatikanischen Konzils in vollem Gange. Das Konzil gab der Theologie der imago Dei neue Anstöße, insbesondere in der Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes.
22. Unter Berufung auf das Motiv des Bildes Gottes bekräftigt das Konzil in Gaudium et spes die Würde des Menschen, wie sie in Gen 1,26 und Ps 8,6 gelehrt wird (GS 12). In der Sicht des Konzils besteht die imago Dei in der grundlegenden Ausrichtung des Menschen auf Gott, die die Basis der Menschenwürde und der unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person darstellt. Weil jeder Mensch ein Bild Gottes ist, kann er keinem System oder Zweck dieser Welt dienstbar gemacht werden. Seine Hoheit innerhalb des Kosmos, seine Befähigung zur sozialen Existenz und seine Kenntnis und Liebe des Schöpfers – all das wurzelt im Dasein des Menschen, der hervorgebracht ist nach dem Bilde Gottes.
23. Grundlegend für die Lehre des Konzils ist die christologische Bestimmung des Bildes: Es ist Christus, der das Bild des unsichtbaren Gottes ist (Kol 1,15) (GS 10). Der Sohn ist der vollkommene Mensch, der für die Söhne und Töchter Adams die Gottebenbildlichkeit wiederherstellt, die durch die Sünde der ersten Eltern verwundet war (GS 22). Von Gott offenbart, der den Menschen nach seinem Bilde erschuf, ist es der Sohn, der dem Menschen die Antworten auf dessen Fragen nach dem Sinn von Leben und Tod gibt (GS 41). Das Konzil unterstreicht auch die trinitarische Struktur des Bildes: Durch die Gleichförmigkeit mit Christus (Röm 8,29) und durch die Gaben des Heiligen Geistes (Röm 8,23) wird ein neuer Mensch erschaffen, befähigt zur Erfüllung des neuen Gebotes (GS 22). Es sind die Heiligen, die gänzlich in das Bild Christi umgewandelt sind (vgl. 2 Kor 3,18); in ihnen offenbart Gott seine Gegenwart und Gnade als Zeichen seines Reiches (GS 24). Auf der Grundlage der Lehre vom Bild Gottes weist das Konzil auf, daß menschliches Handeln das göttliche Schöpfertum widerspiegelt und zum Urbild hat (GS 34) und daß es auf Gerechtigkeit und Mitmenschlichkeit ausgerichtet sein muß, um die Errichtung einer einzigen Familie zu fördern, in der alle Brüder und Schwestern sind (GS 24).
24. Das erneuerte Interesse an der Theologie der imago Dei, das sich beim II. Vatikanischen Konzil zeigte, spiegelt sich in der zeitgenössischen Theologie wider, wo sich Entwicklungen in verschiedenen Bereichen feststellen lassen. In erster Linie arbeiten Theologen an dem Aufweis, wie die Theologie der imago Dei die Verbindungen zwischen Anthropologie und Christologie erhellt. Ohne die einzigartige Gnade zu leugnen, die dem Menschengeschlecht durch die Inkarnation zukommt, möchten Theologen den innewohnenden Wert der Schöpfung des Menschen nach dem Bilde Gottes anerkennen. Die Möglichkeiten, die Christus dem Menschen eröffnet, bringen nicht die Unterdrückung der Realität des Menschen in seiner Geschöpflichkeit mit sich, sondern deren Umwandlung und Verwirklichung in Einklang mit dem vollendeten Bild des Sohnes. Zu diesem erneuerten Verständnis der Verbindung zwischen Christologie und Anthropologie kommt eine tieferes Verständnis des dynamischen Charakters der imago Dei hinzu. Ohne die Gabe der ursprünglichen Schöpfung des Menschen nach dem Bilde Gottes zu leugnen, möchten Theologen die Wahrheit anerkennen, daß im Licht der menschlichen Geschichte und der Entfaltung der menschlichen Kultur von der imago Dei in einem wirklichen Sinne ausgesagt werden kann, sie sei noch in einem Prozeß des Werdens. Mehr noch, die Theologie der imago Dei verbindet auch die Anthropologie mit der Moraltheologie, indem sie zeigt, daß der Mensch in seinem Sein selbst über eine Teilhabe am göttlichen Gesetz verfügt. Dieses Naturgesetz richtet die Person darauf aus, in ihren Handlungen das Gute zu erstreben. Schließlich folgt, daß die imago Dei eine teleologische und eschatologische Dimension aufweist, die den Menschen als homo viator definiert; er ist auf die Parusie ausgerichtet und auf die Vollendung des göttlichen Plans für das Universum, wie er in der Geschichte der Gnade im Leben jedes einzelnen Menschen und in der Geschichte des ganzen Menschengeschlechts verwirklicht ist.
KAPITEL II
NACH DEM BILDE GOTTES: PERSONEN IN GEMEINSCHAFT
25. Gemeinschaft und Dienstleistung sind die beiden großen Stränge, aus denen der Stoff der Lehre von der imago Dei gewoben ist. Der erste Strang, den wir in diesem Kapitel aufnehmen, läßt sich in folgender Weise zusammenfassen: Der dreieine Gott hat seinen Plan offenbart, die Gemeinschaft des trinitarischen Lebens mit Personen zu teilen, die nach seinem Bilde geschaffen sind. Tatsächlich geschah es um dieser trinitarischen Gemeinschaft willen, daß menschliche Personen nach dem göttlichen Bild erschaffen wurden. Es ist genau diese radikale Ähnlichkeit mit dem dreieinen Gott, die die Basis für die Möglichkeit der Gemeinschaft von geschöpflichen Wesen mit den ungeschaffenen Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit darstellt. Geschaffen nach dem Bilde Gottes, sind Menschen von Natur aus leiblich und geistig, als Mann und Frau füreinander bestimmt, als Personen ausgerichtet auf die Gemeinschaft mit Gott und miteinander, verwundet durch die Sünde und bedürftig des Heils, sowie bestimmt zur Gleichförmigkeit mit Christus, dem vollkommenen Bild des Vaters, in der Kraft des Heiligen Geistes.
1. Leib und Seele
26. Der nach dem Bilde Gottes geschaffene Mensch ist als Person berufen, sich der Gemeinschaft zu erfreuen und seine Dienstleistung in einem physischen Universum auszuüben. Die Tätigkeiten, die interpersonale Gemeinschaft und verantwortliche Dienstleistung mit sich bringen, beanspruchen die geistigen – intellektuellen und affektiven – Fähigkeiten der menschlichen Person, aber sie lassen den Leib nicht hinter sich. Menschen sind physische Wesen, die eine Welt mit anderen physischen Wesen teilen. In der katholischen Theologie der imago Dei ist die tiefe Wahrheit eingeschlossen, daß die materielle Welt die Bedingungen für die gegenseitige Verpflichtung menschlicher Personen schafft.
27. Diese Wahrheit hat nicht immer die Aufmerksamkeit gefunden, die sie verdient. Die heutige Theologie ist bestrebt, den Einfluß dualistischer Anthropologien zu überwinden, die die imago Dei ausschließlich unter Bezug auf den geistigen Aspekt der menschlichen Natur bestimmen. Teilweise unter dem Einfluß zunächst platonischer, später cartesianischer dualistischer Anthropologien neigte die christliche Theologie selbst dazu, die imago Dei im Menschen mit dem zu identifizieren, was der menschlichen Natur am meisten eigentümlich ist, nämlich Verstand oder Geist. Die Wiedergewinnung sowohl von Elementen biblischer Anthropologie als auch von Aspekten der thomistischen Synthese hat in bedeutender Weise zu der heutigen Bemühung beigetragen.
28. Die Ansicht, daß Leiblichkeit für personale Identität wesentlich ist, ist grundlegend, selbst wenn sie im Zeugnis christlicher Offenbarung nicht ausdrücklich thematisiert wird. Die biblische Anthropologie schließt einen Dualismus von Geist und Leib aus. Sie spricht vom Menschen als ganzem. Unter den hebräischen Grundworten für Mensch, die im Alten Testament verwendet werden, bedeutet nèfèš das Leben einer konkreten Person, die lebendig ist (Gen 9,4; Lev. 24,17–18; Spr 8,35). Doch der Mensch hat nicht etwa eine nèfèš – er ist seine nèfèš (Gen 2,7; Lev 17,10). Basar bezieht sich auf das Fleisch von Tieren und Menschen und manchmal auf den Leib als ganzen (Lev 4,11; 26,29). Wiederum hat man nicht einen basar, sondern man ist basar. Der neutestamentliche Ausdruck sarx (Fleisch) kann die materielle Leiblichkeit bezeichnen (2 Kor 12,7), andererseits auch die gesamte Person (Röm 8,6). Ein anderer griechischer Ausdruck, soma (Leib), bezieht sich auf den ganzen Menschen mit dem Nachdruck auf seiner äußeren Erscheinung. Auch hier hat der Mensch nicht seinen Leib, sondern ist sein Leib. Die biblische Anthropologie setzt klar die Einheit des Menschen voraus und versteht Leiblichkeit als wesentlich für personale Identität.
29. Die zentralen Dogmen des christlichen Glaubens schließen ein, daß der Leib ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Person ist und auf diese Weise an deren Geschaffensein nach dem Bilde Gottes teilhat. Die christliche Schöpfungslehre schließt ganz entschieden einen metaphysischen oder kosmischen Dualismus aus, denn sie lehrt, daß alles im Universum, Geistiges und Materielles, von Gott geschaffen wurde und somit auf das vollkommene Gute zurückgeht. Im Rahmen der Inkarnationslehre erscheint der Leib ebenfalls als wesentlicher Bestandteil der Person. Das Johannesevangelium sagt aus, daß „das Wort Fleisch (sarx) geworden“ ist, um gegen den Doketismus zu betonen, daß Jesus einen wirklichen physischen Leib und nicht einen Scheinleib hatte. Ferner erlöst uns Jesus durch jede Handlung, die er in seinem Leib vollzieht. Sein Leib, der für uns hingegeben ist, und sein Blut, das für uns vergossen ist, meint die Gabe seiner Person für unser Heil. Christi Erlösungswerk setzt sich fort in der Kirche, seinem mystischen Leib, und wird sichtbar und berührbar durch die Sakramente. Die Wirkungen der Sakramente sind zwar in sich in erster Linie geistlich, sie kommen aber zustande mittels wahrnehmbarer materieller Zeichen, die nur im Leib und durch ihn empfangen werden können. Das zeigt, daß nicht nur der Geist des Menschen, sondern auch sein Leib erlöst ist. Der Leib wird ein Tempel des heiligen Geistes. Daß schließlich der Leib wesentlich zur menschlichen Person gehört, ist Bestandteil der Lehre von der Auferstehung des Leibes am Ende der Zeit; diese Lehre schließt ein, daß der Mensch in Ewigkeit als eine vollständige physische und geistige Person existiert.
30. Um die Einheit von Leib und Seele aufrechtzuerhalten, wie sie klar in der Offenbarung gelehrt ist, übernahm das Lehramt die Definition der menschlichen Seele als forma substantialis (vgl. das Konzil von Vienne und das V. Laterankonzil). Hier baute das Lehramt auf der thomistischen Anthropologie auf, die unter Rückgriff auf die Philosophie des Aristoteles Leib und Seele als das materielle und das geistige Prinzip eines einzelnen Menschen versteht. Es darf angemerkt werden, daß dieser Zugang mit heutigen wissenschaftlichen Einsichten nicht unvereinbar ist. Die moderne Physik hat nachgewiesen, daß die Materie in ihren elementarsten Bestandteilen rein potentiell ist und keine Neigung zur Organisation aufweist. Doch das Niveau der Organisation im Universum, das hochorganisierte Lebensformen und leblose Gestalten enthält, setzt die Anwesenheit von so etwas wie „Information“ voraus. Diese Argumentationslinie legt eine partielle Analogie zwischen dem aristotelischen Begriff der substantiellen Form und der modernen wissenschaftlichen Vorstellung der „Information“ nahe. So enthält z.B. die DNA der Chromosomen die für die Materie notwendige Information, um sich entsprechend den typischen Merkmalen einer bestimmten Art oder eines Individuums zu organisieren. Analog dazu stellt die substantielle Form der ersten Materie die Information zur Verfügung, die diese benötigt, um sich in einer besonderen Weise zu organisieren. Diese Analogie sollte mit gebührender Vorsicht betrachtet werden, weil metaphysische und geistige Begriffe nicht einfach mit materiellen, biologischen Gegebenheiten verglichen werden können.
31. Diese biblischen, dogmatischen und philosophischen Hinweise kommen in der Aussage überein, daß die Leiblichkeit des Menschen an der imago Dei teilhat. Wenn die Seele, die nach Gottes Bild geschaffen ist, die Materie so formt, daß diese den menschlichen Leib bildet, dann ist die menschliche Person als ganze der Träger des göttlichen Bildes in einer geistigen wie auch in einer leiblichen Dimension. Diese Folgerung wird bekräftigt, wenn die christologischen Implikationen des Bildes Gottes voll in Betracht gezogen werden: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf ... Christus macht dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“ (Gaudium et spes 22). In geistlicher und physischer Verbundenheit mit dem fleischgewordenen und verherrlichten Wort, besonders im Sakrament der Eucharistie, erreicht der Mensch seine Bestimmung: die Auferstehung seines eigenen Leibes und die ewige Herrlichkeit, an der er als vollständige menschliche Person teilhat, mit Leib und Seele, in der trinitarischen Gemeinschaft, die alle Seligen in der Gefährtenschaft des Himmels teilen.
2. Mann und Frau
32. In Familiaris Consortio äußert Papst Johannes Paul II.: „Als Geist im Fleisch, das heißt als Seele, die sich im Leib ausdrückt, und als Leib, der von einem unsterblichen Geist durchlebt wird, ist der Mensch in dieser geeinten Ganzheit zur Liebe berufen. Die Liebe schließt den menschlichen Leib ein, und der Leib nimmt an der geistigen Liebe teil“ (11). Geschaffen nach dem Bilde Gottes, sind die Menschen berufen zu Liebe und Gemeinschaft. Weil diese Berufung in der ehelichen Vereinigung von Mann und Frau zur Fortpflanzung auf besondere Weise verwirklicht wird, ist der Unterschied zwischen Mann und Frau ein wesentliches Element in der Konstitution des Menschen, der nach dem Bilde Gottes hervorgebracht ist.
33. „Gott schuf den Menschen nach seinem Bild; als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,27; vgl. Gen 5,1–2). Gemäß der Schrift zeigt sich also am Anfang die imago Dei in der Differenz zwischen den Geschlechtern. Man könnte sagen, daß menschliche Wesen nur als männlich oder weiblich existieren, denn die reale menschliche Lage zeigt sich in der Verschiedenheit und Mehrzahl der Geschlechter. Folglich ist dieser Aspekt bei weitem nicht zufällig oder nebensächlich für die Persönlichkeit, sondern konstitutiv für personale Identität. Jeder von uns besitzt eine Weise, in der Welt zu sein, zu sehen, zu denken, zu fühlen, sich auf den gegenseitigen Austausch mit anderen Personen einzulassen, die ebenfalls durch ihre geschlechtliche Identität definiert sind. Der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt: „Die Geschlechtlichkeit berührt alle Aspekte des Menschen in der Einheit seines Leibes und seiner Seele. Sie betrifft ganz besonders das Gefühlsleben, die Fähigkeit, zu lieben und Kinder zu zeugen und, allgemeiner, die Befähigung, Bande der Gemeinschaft mit anderen zu knüpfen“ (2332). Die Rollen, die dem einen oder anderen Geschlecht zugeschrieben werden, mögen durch Zeit und Raum hindurch wechseln, doch die geschlechtliche Identität der Person ist kein kulturelles oder soziales Konstrukt. Sie gehört zu der eigentümlichen Weise, in der die imago Dei existiert.
34. Die Fleischwerdung des Wortes verstärkt diese Eigentümlichkeit. Er, Christus, übernahm die menschliche Lage in ihrer Gesamtheit, indem er eines der Geschlechter annahm, doch er wurde Mensch in dem doppelten Sinne des Wortes: als Glied der menschlichen Gemeinschaft und als männliches Wesen. Die Beziehung jedes Menschen zu Christus ist auf zweierlei Weise bestimmt: Sie ist abhängig von der je eigenen geschlechtlichen Identität und von derjenigen Christi.
35. Hinzu kommt, daß die Fleischwerdung und Auferstehung die ursprüngliche geschlechtliche Identität der imago Dei in die Ewigkeit ausweiten. Der auferstandene Herr bleibt ein Mann, wenn er nun zur Rechten des Vaters sitzt. Ebenso können wir feststellen, daß die geheiligte und verherrlichte Person der Gottesmutter, wie sie jetzt leibhaftig in den Himmel aufgenommen ist, weiterhin eine Frau ist. Wenn in Gal 3,28 der hl. Paulus verkündet, daß in Christus alle Unterschiede – einschließlich desjenigen zwischen Mann und Frau – ausgetilgt sind, so versichert er, daß keinerlei menschliche Unterschiede unsere Teilhabe am Geheimnis Christi hindern. Die Kirche ist nicht dem hl. Gregor von Nyssa und einigen anderen Kirchenvätern gefolgt, nach deren Ansicht die geschlechtlichen Unterschiede als solche durch die Auferstehung aufgehoben würden. Die sexuellen Unterschiede zwischen Mann und Frau weisen sicherlich physische Merkmale auf, tatsächlich übersteigen sie jedoch das rein Physische und berühren das eigentliche Geheimnis der Person.
36. Die Bibel bietet keine Unterstützung für die Auffassung einer natürlichen Überlegenheit des männlichen über das weibliche Geschlecht. Unbeschadet ihrer Unterschiede weisen beide Geschlechter eine innewohnende Gleichwertigkeit auf. Papst Johannes Paul II. schreibt in Familiaris Consortio: „Für die Frau ist vor allem zu betonen, daß sie die gleiche Würde und Verantwortung wie der Mann besitzt. Diese Gleichwertigkeit kommt in einzigartiger Weise zur Geltung in der gegenseitigen Selbsthingabe an den anderen und in der gemeinsamen Hingabe an die Kinder, wie sie der Ehe und Familie eigen ist ... Indem Gott den Menschen ‚als Mann und Frau’ erschuf, schenkte er dem Mann und der Frau in gleicher Weise personale Würde und stattete sie mit den unveräußerlichen Rechten aus, die der menschlichen Person zukommen“ (22). Mann und Frau sind in gleicher Weise nach Gottes Bild geschaffen. Beide sind Person, ausgestattet mit Verstand und Wille und befähigt, ihrem Leben durch den Gebrauch der Freiheit eine Ausrichtung zu geben. Doch jeder Mensch tut dies in einer Weise, die eigentümlich und kennzeichnend für seine geschlechtliche Identität ist, so daß die christliche Tradition von einer Gegenseitigkeit und Komplementarität sprechen kann. Diese Ausdrücke, die in letzter Zeit recht umstritten sind, sind nichtsdestoweniger nützlich um auszudrücken, daß Mann und Frau jeweils den anderen brauchen, um die Fülle des Lebens zu erlangen.
37. Sicherlich wurde die ursprüngliche Freundschaft zwischen Mann und Frau durch die Sünde tief beeinträchtigt. Durch sein Zeichen auf der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1ff.) zeigt der Herr, daß er gekommen ist, um die Harmonie wiederherzustellen, die Gott in der Schöpfung von Mann und Frau anstrebte.
38. Das Bild Gottes, das sich in der Natur der menschlichen Person als solcher finden läßt, kann auf eine besondere Weise in der Vereinigung zwischen menschlichen Wesen verwirklicht werden. Da diese Vereinigung auf die Vollkommenheit der göttlichen Liebe ausgerichtet ist, hat die christliche Tradition immer den Wert von Jungfräulichkeit und Zölibat festgehalten, die eine keusche Freundschaft zwischen menschlichen Personen begünstigen und gleichzeitig auf die eschatologische Erfüllung aller geschöpflichen Liebe in der ungeschaffenen Liebe der Heiligen Dreifaltigkeit hinweisen. In eben diesem Zusammenhang zog das I. Vatikanische Konzil eine Analogie zwischen der Gemeinschaft der göttlichen Personen untereinander und der Gemeinschaft, zu deren Errichtung Menschen auf Erden eingeladen sind (vgl. Gaudium et spes 24).
39. Zwar ist es sicherlich wahr, daß die Vereinigung zwischen Menschen auf vielfältigen Wegen verwirklicht werden kann, doch die katholische Theologie heute hält fest, daß die Ehe eine herausgehobene Form der Gemeinschaft zwischen menschlichen Personen und eine der besten Analogien des dreifaltigen Lebens darstellt. Wenn ein Mann und eine Frau ihren Leib und ihren Geist in einer Haltung völliger Offenheit und Selbsthingabe vereinigen, dann gestalten sie ein neues Bild Gottes. Ihre Vereinigung zu einem Fleisch entspricht nicht einfach einer biologischen Notwendigkeit, sondern einer Absicht des Schöpfers, der sie dahin führt, das Glück zu teilen, nach seinem Bild hervorgebracht zu sein. Die christliche Tradition spricht von der Ehe als einem ausgezeichneten Weg der Heiligkeit. „‚Gott ist Liebe‘ und lebt in sich selbst ein Geheimnis personaler Liebesgemeinschaft. Indem er den Menschen nach seinem Bild erschafft, prägt Gott der Menschennatur des Mannes und der Frau die Berufung und daher auch die Fähigkeit und die Verantwortung zu Liebe und Gemeinschaft ein“ (Katechismus der Katholischen Kirche 2331). Das Zweite Vatikanische Konzil unterstreicht ebenfalls die tiefe Bedeutung der Ehe: „Kraft des Ehesakramentes, durch das sie das Geheimnis der Einheit und der fruchtbaren Liebe zwischen Christus und der Kirche bezeichnen und daran Anteil haben (vgl. Eph 5,32), fördern sich die christlichen Gatten gegenseitig im ehelichen Leben sowie auch durch die Annahme und Erziehung der Kinder zur Heiligung“ (Lumen gentium 11; vgl. Gaudium et spes 48).
3. Person und Gemeinschaft
40. Nach dem Bilde Gottes geschaffene Personen sind leibliche Wesen, deren Identität als Mann oder Frau sie auf eine besondere Art der Gemeinschaft miteinander hinordnet. Wie Papst Johannes Paul II. lehrt, findet die bräutliche Bedeutung des Leibes ihre Verwirklichung in der menschlichen Intimität und Liebe, die die Gemeinschaft der Heiligen Dreifaltigkeit widerspiegelt, deren gegenseitige Liebe ausgegossen ist in Schöpfung und Erlösung. Diese Wahrheit steht im Mittelpunkt der christlichen Anthropologie. Menschen sind geschaffen nach dem Bilde Gottes eben als Personen, befähigt zu Erkenntnis und Liebe, die personal und interpersonal sind. Es gehört zum Wesen der imago Gottes in ihnen, daß diese personalen Wesen relationale und soziale Wesen sind, umfangen von einer menschlichen Familie, deren Einheit zugleich verwirklicht und bezeichnet ist in der Kirche.
41. Wenn man von der Person spricht, bezieht man sich sowohl auf die unreduzierbare Identität und Innerlichkeit, die das besondere individuelle Wesen konstituieren, als auch auf die grundlegende Beziehung zu anderen Personen, die die Basis für menschliche Gemeinschaft ausmacht. In christlicher Perspektive ist diese personale Identität, die zugleich eine Ausrichtung auf den anderen darstellt, wesentlich auf der Trinität der göttlichen Personen begründet. Gott ist nicht ein vereinzeltes Wesen, sondern Gemeinschaft von drei Personen. Auf dem Grund der einen göttlichen Natur besteht die Identität des Vaters in seiner Vaterschaft, seiner Beziehung zum Sohn und zum Geist; die Identität des Sohnes ist seine Beziehung zum Vater und zum Geist; die Identität des Geistes ist seine Beziehung zu Vater und Sohn. Die christliche Offenbarung führte zur Ausbildung des Personbegriffs und gab ihm eine göttliche, christologische und trinitarische Bedeutung. Tatsächlich ist keine Person als solche allein im Universum, sondern sie besteht immer zugleich mit anderen und ist aufgerufen, mit ihnen Gemeinschaft zu bilden.
42. Daraus folgt, daß personale Wesen zugleich soziale Wesen sind. Der Mensch ist wahrhaft menschlich in dem Maße, wie er das wesentlich soziale Element in seiner Verfassung als Person innerhalb familiärer, religiöser, ziviler, beruflicher und anderer Gruppen aktualisiert, die zugleich die gesellschaftliche Umwelt bilden, der er angehört. Während sie den grundlegend sozialen Charakter der menschlichen Existenz bekräftigt, hat die christliche Kultur nichtsdestoweniger den absoluten Wert der menschlichen Person sowie die Bedeutung der individuellen Rechte und die kulturelle Vielfalt anerkannt. In der Schöpfungsordnung wird immer eine gewisse Spannung zwischen der Einzelperson und den Erfordernissen sozialer Existenz bestehen. In der Heiligen Dreifaltigkeit gibt es eine vollkommene Harmonie zwischen den Personen, die die Gemeinschaft eines einzigen göttlichen Lebens teilen.
43. Jeder einzelne Mensch wie auch die gesamte menschliche Gemeinschaft sind geschaffen nach dem Bilde Gottes. In seiner ursprünglichen Einheit – für die Adam das Symbol darstellt – ist das Menschengeschlecht hervorgebracht nach dem Bild der Heiligen Dreifaltigkeit. Es ist von Gott gewollt, geht seinen Weg durch den Wandel der menschlichen Geschichte hin zu einer vollkommenen Gemeinschaft, die ebenfalls von Gott gewollt ist, aber noch voll verwirklicht werden muß. In diesem Sinne teilen menschliche Wesen die Solidarität einer Einheit, die sowohl bereits existiert als auch noch erlangt werden muß. Obwohl wir eine geschöpfliche Natur miteinander teilen und den dreieinen Gott, der unter uns wohnt, bekennen, sind wir trotzdem durch die Sünde gespalten und erwarten das siegreiche Kommen Christi, der die Einheit nach dem Willen Gottes in einer endgültigen Erlösung der Schöpfung wiederherstellen und neu schaffen wird (vgl. Röm 8,18–19). Diese Einheit der Menschheitsfamilie muß noch eschatologisch verwirklicht werden. Die Kirche ist das Sakrament des Heils und des Reiches Gottes: sie ist katholisch, indem sie Menschen aller Völker und Kulturen zusammenbringt; sie ist eine als Vorhut der Einheit der menschlichen Gemeinschaft nach dem Willen Gottes; heilig, weil sie sich geheiligt hat in der Kraft des Heiligen Geistes und alle Menschen heiligt durch die Sakramente; und apostolisch in der Weiterführung der Sendung der Männer, die Christus erwählt hat, um fortschreitend die gottgewollte Einheit des Menschengeschlechts und die Vollendung von Schöpfung und Erlösung zu erreichen.
4. Sünde und Heil
44. Der Mensch, der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, um an der Gemeinschaft des trinitarischen Lebens teilzuhaben, ist Person; es gehört zu seiner Verfassung, diese Gemeinschaft in Freiheit ergreifen zu können. Freiheit ist die göttliche Gabe, die menschlichen Personen ermöglicht, die Gemeinschaft zu erwählen, die der dreieine Gott ihnen als ihr höchstes Gut anbietet. Doch mit der Freiheit kommt die Möglichkeit der verfehlten Freiheit. Statt das höchste Gut der Teilhabe am göttlichen Leben bereitwillig anzunehmen, können sich menschliche Personen davon abwenden und tun es de facto, um sich an vorübergehenden oder gar an bloß eingebildeten Gütern zu erfreuen. Sünde ist genau diese verfehlte Freiheit, diese Abwendung von der göttlichen Einladung zur Gemeinschaft
45. Innerhalb der Perspektive der imago Dei, die in ihrer ontologischen Struktur wesentlich dialogisch bzw. relational ist, bewirkt die Sünde als Bruch der Beziehung zu Gott eine Entstellung der imago Dei. Die Dimensionen der Sünde lassen sich erfassen im Licht der Dimensionen der imago Dei, die von der Sünde betroffen sind. Diese grundlegende Entfremdung von Gott stört auch die Beziehung des Menschen zu anderen (vgl. 1 Joh 3,17) und ruft in einem wirklichen Sinne eine Spaltung in ihm selbst zwischen Leib und Geist, Erkennen und Wollen, Vernunft und Gefühlen hervor (Röm 7,14f.). Sie betrifft auch seine physische Existenz und bringt Leiden, Krankheit und Tod mit sich. Außerdem hat auch die Sünde, ebenso wie die imago Dei, eine historische Dimension. Das Zeugnis der Schrift (vgl. Röm 5,12ff.) konfrontiert uns mit einer Sicht der Geschichte der Sünde, die verursacht wurde durch eine Zurückweisung der göttlichen Einladung zur Gemeinschaft, die am Anfang der Geschichte des Menschengeschlechts steht. Schließlich betrifft die Sünde die soziale Dimension der imago Dei; es lassen sich Ideologien und Strukturen ausmachen, in denen objektiv Sünde zum Ausdruck kommt und die der Verwirklichung des Bildes Gottes auf Seiten des Menschen entgegenstehen.
46. Katholische und protestantische Exegeten stimmen heute darin überein, daß die imago Dei durch die Sünde nicht völlig zerstört werden kann, weil sie die gesamte Struktur der menschlichen Natur bestimmt. Die katholische Tradition ihrerseits hat immer darauf bestanden, daß die imago Dei zwar beeinträchtigt und entstellt ist, jedoch durch die Sünde nicht zerstört werden kann. Die dialogische bzw. relationale Struktur des Bildes Gottes ist unverlierbar, doch unter der Herrschaft der Sünde ist sie in der Ausrichtung auf ihre christologische Verwirklichung gespalten. Darüber hinaus ist die ontologische Struktur des Bildes zwar in ihrer Geschichtlichkeit durch die Sünde betroffen, doch sie bleibt trotz der Wirklichkeit sündiger Handlungen bestehen. In dieser Hinsicht – so argumentieren viele Kirchenväter in ihrer Antwort auf Gnosis und Manichäismus – kann die Freiheit, die als solche zur Bestimmung des Menschseins gehört und grundlegend für die ontologische Struktur der imago Dei ist, nicht unterdrückt werden, selbst wenn die Situation, in der Freiheit ausgeübt wird, teilweise durch die Folgen der Sündhaftigkeit geprägt ist. Schließlich hat die katholische Tradition gegen die Auffassung von der totalen Verderbnis der imago Dei durch die Sünde darauf bestanden, daß Gnade und Heil illusorisch wären, wenn sie die bestehende, wenn auch sündhafte Wirklichkeit der menschlichen Natur nicht tatsächlich verwandeln würden.
47. In der Perspektive der Theologie der imago Dei verstanden, bringt das Heil die Wiederherstellung des Bildes Gottes durch Christus, der das vollkommene Bild des Vaters ist, mit sich. Christus, der unser Heil durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung erringt, wirkt unsere Gleichförmigkeit mit ihm durch unsere Teilhabe am Pascha-Mysterium, und so gibt er der imago Dei ihre Gestalt in ihrer eigentümlichen Ausrichtung auf die glückselige Gemeinschaft des trinitarischen Lebens zurück. In dieser Perspektive ist Heil nichts Geringeres als eine Verwandlung und Erfüllung des personalen Lebens des Menschen, der nach dem Bilde Gottes geschaffen und nun neu hingeordnet ist auf eine wirkliche Teilhabe am Leben der göttlichen Personen durch die Gnade der Menschwerdung und die Einwohnung des Heiligen Geistes. Die katholische Tradition spricht hier zu Recht von einer Verwirklichung der Person. Insofern die Person aufgrund der Sünde an einem Mangel an Liebe leidet, kann sie sich unabhängig von der absoluten und gnadenhaften Liebe Gottes in Christus Jesus nicht selbst verwirklichen. Aufgrund dieser heilbringenden Verwandlung der Person durch Christus und den Heiligen Geist wird alles im Universum ebenso verwandelt und gelangt zur Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes (Röm 8,21).
48. Für die theologische Tradition ist der von der Sünde betroffene Mensch immer des Heils bedürftig; doch hat er ein natürliches Verlangen nach der Gottesschau – ein desiderium naturale –, das als Bild des Göttlichen eine dynamische Ausrichtung auf das Göttliche darstellt. Diese Ausrichtung ist zwar durch die Sünde nicht zerstört, kann aber unabhängig von Gottes rettender Gnade auch nicht verwirklicht werden. Gott der Retter wendet sich an ein Ebenbild seiner selbst, das in seiner Ausrichtung auf ihn gestört, nichtsdestoweniger aber befähigt ist, das göttliche Heilshandeln zu empfangen. Diese traditionellen Formulierungen besagen sowohl die Unzerstörbarkeit der Ausrichtung des Menschen auf Gott als auch die Notwendigkeit des Heils. Die menschliche Person, geschaffen nach dem Bilde Gottes, ist von Natur aus auf den Genuß der göttlichen Liebe hingeordnet, doch nur die göttliche Gnade macht das freie Ergreifen dieser Liebe möglich und wirksam. In dieser Hinsicht ist Gnade nicht bloß ein Heilmittel für die Sünde, sondern eine qualitative Verwandlung menschlicher Freiheit, ermöglicht durch Christus, als eine zum Guten befreite Freiheit.
49. Die Wirklichkeit personaler Sünde zeigt, daß das Bild Gottes nicht eindeutig für Gott offen ist, sondern sich in sich selbst verschließen kann. Das Heil bringt durch das Kreuz eine Befreiung von dieser Selbstverherrlichung mit sich. Das Pascha-Mysterium, das ursprünglich durch Leiden, Tod und Auferstehung Christi grundgelegt ist, ermöglicht jeder Person die Teilhabe am Tod für die Sünde, die zum Leben in Christus führt. Das Kreuz zieht nicht die Zerstörung des Menschlichen nach sich, sondern den Durchgang, der zum neuen Leben führt.
50. Die Auswirkungen des Heils für den nach dem Bilde Gottes geschaffenen Menschen werden erlangt durch die Gnade Christi, der als der zweite Adam das Haupt einer neuen Menschheit ist und der für den Menschen eine neue heilshafte Situation schafft durch seinen Tod für die sündigen Menschen und durch seine Auferstehung (vgl. 1 Kor 15,47–49; 2 Kor 5,2; Röm 5,6ff.). Auf diese Weise wird der Mensch eine neue Schöpfung (2 Kor 5,17), fähig zu einem neuen Leben in Freiheit, einem Leben „frei von“ und „frei zu“.
51. Der Mensch ist befreit von der Sünde, vom Gesetz und von Leid und Tod. In erster Linie ist Heil eine Befreiung von Sünde und versöhnt den Menschen mit Gott, und sei es mitten im andauernden Kampf gegen die Sünde, der in der Kraft des Heiligen Geistes geführt wird (vgl. Eph 6,10–20). Außerdem ist Heil nicht eine Befreiung vom Gesetz als solchem, sondern von jeglicher Gesetzlichkeit, die im Gegensatz zum Heiligen Geist (2 Kor 3,6) und zur Verwirklichung der Liebe (Röm 13,10) steht. Heil bringt eine Befreiung von Leid und Tod mit sich, die einen neuen Sinn als heilbringende Teilhabe durch Leiden, Tod und Auferstehung des Sohnes erlangen. Weiterhin bedeutet „Freiheit von“ gemäß dem christlichen Glauben „Freiheit für“: Freiheit von der Sünde bedeutet Freiheit für Gott in Christus und im Heiligen Geist; Freiheit vom Gesetz bedeutet Freiheit für authentische Liebe; Freiheit vom Tod bedeutet Freiheit für das neue Leben in Gott. Diese „Freiheit für“ ist ermöglicht durch Jesus Christus, die vollkommene Ikone des Vaters, der das Bild Gottes im Menschen wiederherstellt.
5. imago Dei und imago Christi
52. „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. Denn Adam, der erste Mensch, war das Vorausbild des zukünftigen, nämlich Christi des Herrn. Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung. Es ist also nicht verwunderlich, daß in ihm die eben genannten Wahrheiten ihren Ursprung haben und ihren Gipfelpunkt erreichen“ (Gaudium et spes, 22). Dieser berühmte Abschnitt aus der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute ist sehr geeignet, um diese Zusammenfassung der Hauptelemente einer Theologie der imago Dei abzuschließen. Denn es ist Jesus Christus, der dem Menschen die Fülle seines Seins in seiner ursprünglichen Natur, in seiner endgültigen Zielbestimmung und in seiner gegenwärtigen Realität offenbart.
53. Die Ursprünge des Menschen sind in Christus zu finden: Denn der Mensch ist geschaffen „durch ihn und in ihm“ (Kol 1,17), „das Wort ... war das Leben ... und ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, indem es in die Welt kommt“ (Joh 1,3–4.9). Zwar ist es wahr, daß der Mensch ex nihilo erschaffen wurde, doch läßt sich auch sagen, daß er geschaffen wurde aus der Fülle (ex plenitudine) Christi selbst, der zugleich Schöpfer, Mittler und Ziel des Menschen ist. Der Vater hat uns dazu bestimmt, seine Söhne und Töchter zu sein und „gleichgestaltet zu werden dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei“ (Röm 8,29). Was es also bedeutet, als imago Dei erschaffen zu sein, ist uns nur voll offenbart in der imago Christi. In ihm finden wir die volle Aufnahmefähigkeit für den Vater, die unsere eigene Existenz charakterisieren soll, die Offenheit für den anderen in einer Haltung des Dienstes, die unsere Beziehungen zu unseren Brüdern und Schwestern in Christus bestimmten soll, und Erbarmen und Liebe für die anderen, wie Christus, das Bild des Vaters, sie uns erweist.
54. Ebenso wie die Anfänge des Menschen in Christus zu finden sind, so auch seine Zielbestimmung. Menschen sind ausgerichtet auf das Reich Christi als absolute Zukunft, als Erfüllung menschlicher Existenz. Weil „alles durch ihn und auf ihn hin geschaffen ist“ (Kol 1,16), findet alles seine Ausrichtung und Bestimmung in ihm. Der Wille Gottes, daß Christus die Fülle des Menschen sein soll, wird eine eschatologische Verwirklichung finden. Der Heilige Geist wird die endgültige Gleichgestaltung der menschlichen Personen mit Christus in der Auferstehung der Toten vollenden, doch nehmen Menschen bereits hier auf Erden mitten in Zeit und Geschichte an dieser eschatologischen Ähnlichkeit mit Christus teil. Durch Menschwerdung, Auferstehung und Geistsendung ist das Eschaton bereits da; sie lassen es beginnen, führen es in die Welt der Menschen ein und nehmen seine endgültige Verwirklichung vorweg. Der Heilige Geist wirkt geheimnisvoll in allen Menschen guten Willens, in Gesellschaften und im Kosmos, um den Menschen zu verklären und zu vergöttlichen. Darüber hinaus wirkt der Heilige Geist durch alle Sakramente, insbesondere die Eucharistie, die das himmlische Festmahl vorwegnimmt, die Fülle der Gemeinschaft in Vater, Sohn und Heiligem Geist.
55. Zwischen den Ursprüngen des Menschen und seiner absoluten Zukunft liegt die gegenwärtige existentielle Situation des Menschengeschlechts, dessen voller Sinn ebenfalls nur in Christus zu finden ist. Wir haben gesehen, daß es Christus ist – in seiner Menschwerdung, seinem Tod und seiner Auferstehung –, der das Bild Gottes im Menschen zu seiner eigentlichen Gestalt wiederherstellt. „Durch ihn sollte alles auf Erden und im Himmel versöhnt auf ihn hin, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,20). Im Innersten seiner sündhaften Existenz ist dem Menschen vergeben, und durch die Gnade des Heiligen Geistes weiß er, daß er errettet und gerechtfertigt ist durch Christus. Menschen wachsen in ihrer Ähnlichkeit mit Christus und wirken mit dem Heiligen Geist mit, der sie insbesondere durch die Sakramente nach dem Bild Christi formt. Auf diese Weise ist die alltägliche Existenz des Menschen bestimmt als Bemühen, noch vollständiger dem Bild Christi gleichgestaltet zu werden und das eigene Leben dem Kampf zu weihen, um den endgültigen Sieg Christi in der Welt herbeizuführen.
KAPITEL III
NACH DEM BILDE GOTTES:
DIENSTLEISTUNG FÜR DIE SICHTBARE SCHÖPFUNG
56. Das erste große Thema innerhalb der Theologie der imago Dei betrifft die Teilhabe am Leben der göttlichen Gemeinschaft. Der Mensch, geschaffen nach dem Bilde Gottes, teilt, wie wir gesehen haben, die Welt mit anderen leibhaftigen Lebewesen, unterscheidet sich jedoch von ihnen durch Intellekt, Liebe und Freiheit und ist daher durch seine Natur selbst auf interpersonale Gemeinschaft hingeordnet. Der vorzügliche Fall dieser Gemeinschaft ist die Vereinigung von Mann und Frau zur Fortpflanzung, in der sich die schöpferische Gemeinschaft trinitarischer Liebe widerspiegelt. Die Entstellung der imago Dei durch die Sünde mit ihren unvermeidlich zerstörerischen Folgen für das personale und interpersonale Leben ist durch Leiden, Tod und Auferstehung Christi überwunden. Die rettende Gnade der Teilhabe am Pascha-Mysterium stellt die Gestalt der imago Dei nach dem Modell der imago Christi wieder her.
57. In dem vorliegenden Kapitel bedenken wir das zweite Hauptthema der Theologie der imago Dei. Menschliche Wesen, geschaffen nach dem Bilde Gottes, um die Gemeinschaft trinitarischer Liebe zu teilen, nehmen nach göttlichem Plan einen einzigartigen Platz im Universum ein: Sie genießen das Privileg, an der göttlichen Herrschaft über die sichtbare Schöpfung teilzunehmen. Dieses Privileg ist ihnen gewährt vom Schöpfer, der das Geschöpf, das nach seinem Bilde hervorgebracht ist, an seinem Wirken teilnehmen läßt, an seinem Projekt von Liebe und Heil, ja an seinem eigenen Herrsein über das Universum. Da der Ort des Menschen als Herrscher tatsächlich eine Teilhabe an der göttlichen Herrschaft über die Schöpfung darstellt, sprechen wir hier von ihr als von einer Form der Dienstleistung.
58. In Gaudium et spes heißt es: „Der nach Gottes Bild geschaffene Mensch hat ja den Auftrag erhalten, sich die Erde mit allem, was zu ihr gehört, zu unterwerfen und so die Welt in Gerechtigkeit und Heiligkeit zu regieren, damit er Gott als Schöpfer aller Dinge anerkenne und dadurch sich selbst und die Gesamtheit der Wirklichkeit auf Gott hinordne, so daß durch die Unterwerfung aller Dinge unter den Menschen Gottes Name wunderbar sei auf der ganzen Erde“ (34). Dieses Konzept der Herrschaft bzw. Souveränität des Menschen spielt eine wichtige Rolle in der christlichen Theologie. Gott beruft den Menschen als seinen treuhänderischen Verwalter in der Weise des Herrn in den Gleichnissen des Evangeliums (vgl. Lk 19,12). Das einzige Geschöpf, das von Gott ausdrücklich um seiner selbst willen gewollt ist, nimmt einen einzigartigen Platz an der Spitze der sichtbaren Schöpfung ein (Gen 1,26; 2,20; Ps 8,6–7, Weish 9,2–3).
59. Die christliche Theologie verwendet die Bildwelt des Hauses wie auch des Königtums, um diese besondere Rolle zu beschreiben. Die Verwendung der königlichen Metaphorik besagt, daß Menschen zur Herrschaft im Sinn einer Vorrangstellung über das Ganze der sichtbaren Schöpfung in königlicher Weise berufen sind. Doch der innere Sinn dieses Königtums ist, wie Jesus seinen Jüngern in Erinnerung ruft, der des Dienstes: Nur indem Christus freiwillig als Opfergabe leidet, wird er der König des Universums, und das Kreuz ist sein Thron. Wo die Metaphorik des Hauses benutzt wird, spricht die christliche Theologie vom Menschen als dem Hausherrn, dem Gott die Sorge über all seine Güter anvertraut hat (vgl. Mt 24,45). Der Mensch kann alle Ressourcen der sichtbaren Schöpfung seinen schöpferischen Ideen gemäß einsetzen und übt die ihm anvertraute Hoheit über die sichtbare Schöpfung durch Wissenschaft, Technik und Kunst aus.
60. Über sich selbst hinaus und doch in der Intimität seines eigenen Gewissens entdeckt der Mensch die Existenz eines Gesetzes, das die Tradition das „Naturgesetz“ nennt. Dieses Gesetz ist göttlichen Ursprungs, und die Tatsache, daß der Mensch sich dieses Gesetzes bewußt ist, ist selbst eine Teilhabe am göttlichen Gesetz. Es bezieht den Menschen auf die wahren Ursprünge des Alls wie auch seiner selbst (Veritatis Splendor, 20). Dieses Naturgesetz treibt das vernunftbegabte Geschöpf dazu an, in seiner Hoheit über das All das Wahre und Gute zu suchen. Geschaffen nach dem Bilde Gottes übt der Mensch seine Hoheit über die sichtbare Schöpfung nur kraft des ihm von Gott übertragenen Privilegs aus. Er ahmt die göttliche Herrschaft nach, kann jedoch nicht an ihre Stelle treten. Die Bibel warnt vor der Sünde dieser Anmaßung der göttlichen Rolle. Es bedeutet für Menschen ein schwerwiegendes moralisches Versagen, wenn sie als Herrscher der sichtbaren Schöpfung so handeln, daß sie sich von dem höheren, göttlichen Gesetz trennen. Sie handeln an der Stelle des Herrn als treuhänderische Verwalter (vgl. Mt 25,14ff.), die die nötige Freiheit haben, um die ihnen anvertrauten Gaben zu entwickeln und dies mit einer gewissen kühnen Erfindungsgabe zu tun.
61. Der Treuhänder muß Rechenschaft von seiner Verwaltung geben, und der göttliche Herr wird über seine Handlungen urteilen. Die moralische Legitimität und Wirksamkeit der vom Treuhänder angewandten Mittel liefern die Kriterien für dieses Urteil. Weder Wissenschaft noch Technik sind Ziele in sich selbst; was technisch möglich ist, ist nicht unbedingt auch vernünftig oder ethisch richtig. Wissenschaft und Technik müssen in den Dienst des planvollen Entwurfs Gottes (divine design) für das Ganze der Schöpfung und für alle Geschöpfe gestellt werden. Dieser Plan gibt dem Universum und ebenso der Unternehmung des Menschen Sinn. Die Dienstleistung des Menschen am der geschaffenen Welt ist im präzisen Sinne eine treuhänderische Verwaltung, die auf dem Weg der Teilhabe an der göttlichen Herrschaft erfolgt und ihr stets unterworfen ist. Menschen üben diese Dienstleistung aus, indem sie ein wissenschaftliches Verständnis des Alls erwerben, verantwortungsvoll für die natürliche Welt sorgen (Tiere und Umwelt eingeschlossen) und ihre eigene biologische Integrität wahren.
1. Wissenschaft und Dienstleistung im Bereich des Wissens
62. Das Bestreben, das Universum zu verstehen, hat die menschliche Kultur in jeder Periode und in nahezu jeder Gesellschaft geprägt. In der Perspektive des christlichen Glaubens ist dieses Bestreben geradezu ein Ausdruck der Dienstleistung, die Menschen in Übereinstimmung mit Gottes Plan wahrnehmen. Ohne einem unglaubwürdigen Konkordismus anzuhängen, haben Christen die Verantwortung, das moderne wissenschaftliche Verständnis des Universums in den Kontext der Schöpfungstheologie einzuordnen. Der Platz des Menschen in der Geschichte des sich entwickelnden Universums, wie die modernen Naturwissenschaften es erfassen, kann nur im Licht des Glaubens in seiner vollständigen Realität gesehen werden, als personale Geschichte der Verpflichtung des dreieinigen Gottes gegenüber geschöpflichen Personen.
63. Nach weithin anerkannter wissenschaftlicher Aussage ging das Universum vor 15 Milliarden Jahren aus einer Explosion hervor, die Big Bang (Urknall) genannt wird, und befindet sich seither in einem Prozeß der Ausweitung und Abkühlung. Später tauchten stufenweise die Bedingungen auf, die für die Bildung von Atomen notwendig waren, noch später verdichteten sich Galaxien und Sterne, und etwa 10 Milliarden Jahre später bildeten sich Planeten. In unserem eigenen Sonnensystem und auf der Erde (die vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstand), waren die Bedingungen für die Entstehung von Leben günstig. Während Wissenschaftler wenig einig darüber sind, wie der Ursprung dieses ersten mikroskopischen Lebens zu erklären ist, besteht unter ihnen allgemeines Einvernehmen, daß der erste Organismus auf diesem Planeten vor etwa 3,5 bis 4 Millionen lebte. Da nachgewiesen wurde, daß alle lebendigen Organismen auf Erden genetisch in Beziehung stehen, ist es praktisch sicher, daß alle lebendigen Organismen von diesem ersten Organismus abstammen.
Übereinstimmende Anhaltspunkte vieler Studien in den physikalischen und biologischen Wissenschaften liefern wachsende Unterstützung für eine Art von Evolutionstheorie, um die Entwicklung und zunehmende Vielfalt des Lebens auf Erden zu erklären, während die Auseinandersetzung über Tempo und Mechanismen der Evolution weitergeht. Während die Darstellung der menschlichen Ursprünge komplex ist und der Revision unterliegt, verbünden sich physikalische Anthropologie und Molekularbiologie, um überzeugend zu plädieren für den Ursprung des menschlichen Spezies in Afrika vor ungefähr 40’000 Jahren in einer menschenartigen Population gemeinsamer genetischer Abstammung. Wie auch immer es zu erklären ist, der entscheidende Faktor der menschlichen Ursprünge war eine stetig ansteigende Größe des Gehirns, gipfelnd in demjenigen des homo sapiens. Mit der Entwicklung des menschlichen Gehirns änderten sich ständig Natur und Geschwindigkeit der Evolution: mit der Einführung des ausschließlich menschlichen Faktors von Bewußtsein, Intentionalität, Freiheit und Kreativität wurde die biologische Evolution umgestaltet zur sozialen und kulturellen Evolution.
64. Papst Johannes Paul II. stellte vor einigen Jahren fest, daß „neues Wissen uns anerkennen läßt, daß die Evolutionstheorie mehr als eine Hypothese ist. Es ist tatsächlich bemerkenswert, daß diese Theorie infolge einer Reihe von Entdeckungen auf verschiedenen Wissensgebieten bei Forschern zunehmend Anerkennung gefunden hat“ („Botschaft an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften zur Evolution“, 1996). In Kontinuität mit der vorausgehenden päpstlichen Lehre des 20. Jahrhunderts (insbesondere mit der Enzyklika Humani Generis Papst Pius’ XII.) anerkennt die Botschaft des Heiligen Vaters, daß es „mehrere Evolutionstheorien“ gibt, die „materialistisch, reduktionistisch und spiritualistisch“ sind und daher unvereinbar mit dem katholischen Glauben.
Folglich kann die Botschaft von Papst Johannes Paul II. nicht gelesen werden als generelle Zustimmung zu allen Evolutionstheorien einschließlich der neo-darwinistischen, die ausdrücklich der göttlichen Vorsehung jede wahrhaft ursächliche Rolle in der Entwicklung von Leben im Universum abspricht. Papst Johannes Pauls Botschaft, die sich hauptsächlich mit der Evolution befaßt, insofern sie „die Frage des Menschen einschließt“, ist jedoch besonders kritisch gegenüber materialistischen Theorien der menschlichen Ursprünge und besteht auf der Bedeutung von Philosophie und Theologie für ein angemessenes Verständnis des „ontologischen Sprungs“ zum Menschlichen, der in rein wissenschaftlichen Begriffen nicht erklärt werden kann.
Das Interesse der Kirche an der Evolution konzentriert sich folglich insbesondere auf „das Verständnis des Menschen“, der als geschaffen nach dem Bilde Gottes „nicht als ein bloßes Mittel oder Instrument weder der Gattung noch der Gesellschaft untergeordnet werden kann“. Als Person, geschaffen nach dem Bilde Gottes, ist er fähig, Beziehungen der Gemeinschaft mit anderen Personen und mit dem dreieinen Gott aufzunehmen sowie Hoheit und Dienstleistung im geschaffenen Universum auszuüben. Diese Bemerkungen implizieren, daß Theorien über die Evolution und den Ursprung des Universums von besonderem theologischem Interesse sind, wenn sie die Lehren von der creatio ex nihilo und der Erschaffung des Menschen nach dem Bilde Gottes berühren.
65. Wir haben gesehen, daß die menschliche Person erschaffen ist nach dem Bilde Gottes, um Anteil zu haben an der göttlichen Natur (vgl. 2 Petr 1,3–4) und so die Gemeinschaft des dreifaltigen Lebens und die göttliche Herrschaft über die sichtbare Schöpfung zu teilen. Im Herzen des göttlichen Schöpfungsaktes findet sich die göttliche Sehnsucht, in der Gemeinschaft der ungeschaffenen Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit Raum zu schaffen für geschaffene Personen, indem sie als Söhne und Töchter in Christus angenommen werden. Mehr noch, die gemeinsame Abstammung und natürliche Einheit des Menschengeschlechts bilden die Grundlage für eine Einheit der erlösten menschlichen Personen in der Gnade unter dem Haupt des neuen Adam in der kirchlichen Gemeinschaft menschlicher Personen, die miteinander und mit dem ungeschaffenen Vater, Sohn und Heiligen Geist geeint sind. Die Gabe des natürlichen Lebens ist die Grundlage für die Gabe des Gnadenlebens. Folglich kann man dort, wo die zentrale Wahrheit eine frei handelnde Person betrifft, unmöglich von einer Notwendigkeit oder einem Zwang zur Schöpfung sprechen, und schließlich ist es unangemessen, vom Schöpfer als von einer Kraft, einer Energie oder einem Grund zu sprechen. Die Schöpfung ex nihilo ist die Tat eines transzendenten personalen Handlungsträgers, der frei und intentional im Blick auf die allumfassenden Ziele personaler Verpflichtung handelt.
In der katholischen Tradition bringt die Lehre vom Ursprung des Menschen die offenbarte Wahrheit dieses grundlegend relationalen oder personalistischen Verständnisses von Gott und der menschlichen Natur zum Ausdruck. Der Ausschluß von Pantheismus und Emanationslehre kann im Kern als ein Weg interpretiert werden, um diese offenbarte Wahrheit zu schützen. Die Lehre von der unmittelbaren oder besonderen Schöpfung jeder menschlichen Seele spricht nicht nur die ontologische Diskontinuität zwischen Materie und Geist an, sondern legt auch den Grund für die göttliche Intimität, die jede einzelne menschliche Person vom ersten Moment seiner oder ihrer Existenz an umfängt.
66. Die Lehre von der creatio ex nihilo ist also eine einzigartige Bekräftigung für den wahrhaft personalen Charakter der Schöpfung und ihre Hinordnung auf ein personales Geschöpf, das als imago Dei gebildet wurde und nicht einem Grund, einer Kraft oder Energie entspricht, sondern einem personalen Schöpfer. Die Lehraussagen über die imago Dei und die creatio ex nihilo lehren uns, daß das bestehende Universum Schauplatz für ein radikal personales Drama ist, in dem der dreieine Schöpfer aus dem Nichts diejenigen hervorruft, die Er dann in Liebe anruft. Hier liegt der tiefe Sinn der Worte aus Gaudium et spes: „Der Mensch ist das einzige Geschöpf auf Erden, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat“ (24). Geschaffen nach dem Bilde Gottes, nehmen Menschen den Platz verantwortlicher Dienstleistung im physischen Universum ein. Unter Führung der göttlichen Vorsehung und in Anerkennung des sakralen Charakters der sichtbaren Schöpfung gestaltet das Menschengeschlecht die natürliche Ordnung um und wird zum Handlungsträger in der Evolution des Universums selbst. Indem sie ihre Dienstleistung im Bereich des Wissens wahrnehmen, sind Theologen dafür zuständig, das moderne wissenschaftliche Verständnis innerhalb einer christlichen Sicht des geschaffenen Universums zu situieren.
67. Im Hinblick auf die creatio ex nihilo können Theologen festhalten, daß die Big-Bang-Theorie dieser Lehre nicht widerspricht, insofern sich sagen läßt, daß die Annahme eines absoluten Beginns wissenschaftlich nicht unzulässig ist. Da die Big-Bang-Theorie tatsächlich die Möglichkeit einer vorausliegenden Phase der Materie nicht ausschließt, kann festgestellt werden, daß die Theorie nur indirekt die Lehre von der creatio ex nihilo stützt, die als solche nur aufgrund des Glaubens gewußt sein kann.
68. Im Hinblick auf die Evolution von günstigen Bedingungen für die Entstehung von Leben heißt es in der katholischen Tradition, daß Gott als universale transzendente Ursache nicht nur die Ursache der Existenz, sondern auch die Ursache der Ursachen ist. Gottes Handeln verdrängt oder ersetzt die Tätigkeit geschöpflicher Ursachen nicht, sondern ermöglicht ihnen gemäß ihrer Natur zu handeln und nichtsdestoweniger die Ziele herbeizuführen, die er anstrebt. Indem Gott freien Willens das Universum erschafft und erhält, setzt er freien Willens alle diejenigen Zweitursachen in Gang und erhält sie im Vollzug, deren Wirksamkeit zur Entfaltung der natürlichen Ordnung beiträgt, die er hervorzubringen gedenkt. Durch die Wirksamkeit natürlicher Ursachen bewirkt Gott das Aufkommen der Bedingungen, die für das Entstehen und den Erhalt lebendiger Organismen sowie weiterhin für ihre Reproduktion und Ausdifferenzierung erforderlich sind.
Obgleich es eine wissenschaftliche Debatte über den Grad der Zweckgerichtetheit oder des planvollen Entwurfs gibt, die in diesen Entwicklungen wirksam und empirisch beobachtbar sind, haben diese de facto die Entstehung und das Gedeihen von Leben begünstigt. Katholische Theologen sehen in dieser Argumentation eine Stütze für die Aussage, die der Glaube an die göttliche Schöpfung und die göttliche Vorsehung mit sich bringt. Im planvollen Entwurf der Schöpfung in der Vorsehung wollte der dreieine Gott nicht nur Platz schaffen für Menschen im Universum, sondern auch und letztendlich einen Raum für sie bereiten in seinem eigenen trinitarischen Leben. Außerdem handeln Menschen als wirkliche Ursachen, wenn auch Zweitursachen, und tragen so zur Umgestaltung und Verwandlung des Universums bei.
69. Die gegenwärtige wissenschaftliche Debatte über die Mechanismen, die in der Evolution am Werk sind, erfordert einen theologischen Kommentar, insofern sie manchmal ein Mißverständnis über die Natur der göttlichen Ursächlichkeit einschließt. Viele neo-darwinistische Wissenschaftler ebenso wie einige ihrer Kritiker haben geschlossen: Wenn die Evolution ein radikal kontingenter materialistischer Prozeß ist, der durch natürliche Selektion und wahllose genetische Variation gesteuert wird, dann kann darin kein Platz für die Ursächlichkeit der göttlichen Vorsehung sein. Ein wachsender Kreis von wissenschaftlichen Kritikern des Neo-Darwinismus verweisen auf die Anhaltspunkte für einen planvollen Entwurf (z.B. biologische Strukturen, die eine bestimmte Komplexität aufweisen), die in ihrer Sicht nicht in Kategorien eines rein kontingenten Prozesses erklärt werden können und die Neo-Darwinisten ignoriert oder fehlinterpretiert haben. Den Kernpunkt dieser gegenwärtig lebhaften Kontroverse betrifft die wissenschaftliche Beobachtung und Verallgemeinerung hinsichtlich der Frage, ob die verfügbaren Daten einen planvollen Entwurf oder den Zufall stützen, und kann von der Theologie nicht entschieden werden. Es ist jedoch wichtig festzustellen, daß im katholischen Verständnis der göttlichen Ursächlichkeit wahre Kontingenz in der geschöpflichen Ordnung nicht unvereinbar ist mit der zielgerichteten göttlichen Vorsehung. Göttliche Ursächlichkeit und geschöpfliche Ursächlichkeit unterscheiden sich radikal der Art und nicht nur dem Grade nach. Folglich kann sogar das Ergebnis eines wahrhaft kontingenten natürlichen Prozesses dennoch in Gottes Vorsehungsplan für die Schöpfung fallen.
Bei Thomas von Aquin heißt es: „Die Wirkung der göttlichen Vorsehung besteht nicht allein darin, daß etwas auf irgendeine Art und Weise erfolgt, sondern darin, daß etwas entweder zufällig oder notwendig erfolgt. Darum folgt das unfehlbar und notwendig, was die göttliche Vorsehung so fügt, daß es unfehlbar und notwendig sich ereignet; und das erfolgt zufällig, was der Plan der göttlichen Vorsehung so enthält, daß es zufällig sich ereignet“ (Summa theologiae I, 22,4 ad 1). In katholischer Perspektive bewegen sich Neo-Darwinisten, die wahllose genetische Variation und natürliche Selektion als Beweis für einen absolut ungesteuerten Evolutionsprozeß anführen, jenseits dessen, was Wissenschaft nachweisen kann. Göttliche Kausalität kann in einem Prozeß am Werke sein, der sowohl kontingent als auch gesteuert ist. Jeglicher evolutionäre Mechanismus, der kontingent ist, kann allein deshalb kontingent sein, weil er von Gott so hervorgebracht wurde. Einen ungesteuerten Evolutionsprozeß – der außerhalb der Grenzen der göttlichen Vorsehung fiele – kann es einfach nicht geben, denn „die Ursächlichkeit Gottes, der der Erstwirkende ist, erstreckt sich auf alles Seiende, nicht bloß auf das Unvergängliche, sondern auch auf das Vergängliche und nicht nur in bezug auf die Prinzipien der Art, sondern auch in bezug auf die Prinzipien der Individuen ... Also muß notwendig alles, soweit es am Sein teilhat, der göttlichen Vorsehung unterstehen“ (Summa theologiae I, 22,2).
70. Im Hinblick auf die unmittelbare Erschaffung der menschlichen Seele sagt die katholische Theologie aus, daß besondere Handlungen Gottes Wirkungen hervorbringen, die die Fähigkeit geschöpflicher Ursachen beim Handeln gemäß ihrer Natur übersteigen. Die Berufung auf die göttliche Ursächlichkeit, um sie als genuin kausal zu betrachten im Unterschied zu bloßen Lücken der Erklärung, führt das göttliche Handeln nicht ein, um die „Lücken“ im menschlichen wissenschaftlichen Verstehen zu füllen (und damit den sogenannten „Lückenbüßer-Gott“ entstehen zu lassen). Die Strukturen der Welt können als offen betrachtet werden für das nicht-unterbrechende göttliche Handeln in der direkten Verursachung von Geschehnissen in der Welt. Katholische Theologie bekräftigt, daß das Auftauchen der ersten Glieder der menschlichen Gattung (sei es als Individuen oder als Populationen) ein Ereignis darstellt, das sich nicht rein natürlich erklären läßt und das angemessenerweise einem göttliches Eingreifen zugeschrieben werden kann. Indem Gott indirekt durch Kausalketten handelte, die seit dem Beginn der kosmischen Geschichte wirksam sind, bereitete er den Weg für das, was Papst Johannes Paul II. „einen ontologischen Sprung“ nennt, „den Moment des Übergangs zum Geistigen“. Während Wissenschaft diese Kausalketten studieren kann, fällt es der Theologie zu, diese Betrachtung der besonderen Schöpfung der menschlichen Seele zu situieren im übergreifenden Plan des dreieinen Gottes, der die Gemeinschaft trinitarischen Lebens mit menschlichen Personen teilen wollte, die aus Nichts geschaffen sind nach dem Bild und Gleichnis Gottes und die in seinem Namen und nach seinem Plan eine schöpferische Dienstleistung und Hoheit über das physische Universum ausüben.
2. Verantwortung für die geschaffene Welt
71. Beschleunigte wissenschaftliche und technologische Fortschritte während der vergangenen 150 Jahre haben eine radikal neue Situation für alles Lebendige auf unserem Planeten hervorgerufen. Zusammen mit dem materiellen Wohlstand, höherem Lebensstandard, besserer Gesundheit und höherer Lebenserwartung sind Luft- und Wasserverschmutzung, giftiger Industriemüll, Ausbeutung und manchmal Zerstörung von empfindlichen Lebensräumen gekommen. In dieser Situation haben Menschen ein erhöhtes Bewußtsein entwickelt, daß sie organisch mit anderen Lebewesen verbunden sind. Die Natur wird inzwischen als eine Biosphäre angesehen, in der alles Lebendige ein komplexes, doch sorgsam organisiertes Netzwerk des Lebens bildet. Darüber hinaus ist nun anerkannt, daß der Ressourcenreichtum der Natur wie auch ihre Fähigkeit, sich von den Schäden zu erholen, die durch die unablässige Ausbeutung ihrer Ressourcen hervorgerufen werden, begrenzt sind.
72. Ein unglücklicher Aspekt dieses neuen ökologischen Bewußtseins besteht darin, daß einige dem Christentum vorgeworfen haben, teilweise verantwortlich zu sein für die Umweltkrise, gerade weil es den Platz des Menschen, nach dem Bilde Gottes geschaffen, um die sichtbare Schöpfung zu beherrschen, übersteigert habe. Einige Kritiker gehen so weit zu behaupten, daß es der christlichen Tradition an Mitteln fehlt, um eine gesunde ökologische Ethik aufzustellen, weil es den Menschen als wesentlich überlegen über den Rest der natürlichen Welt betrachte, und daß es nötig sein werde, sich asiatischen und traditionellen Religionen zuzuwenden, um die erforderliche ökologische Ethik zu entwickeln.
73. Diese Kritik geht jedoch aus einem tiefen Mißverständnis der christlichen Theologie der Schöpfung und der imago Dei hervor. Papst Johannes Paul II. spricht von dem Erfordernis einer „ökologischen Umkehr“ und bemerkt: „Das Herr-sein des Menschen ist nicht absolut, sondern ein Dienst ... nicht die Sendung eines absoluten, unhinterfragbaren Herrn, sondern eines Treuhänders des Reiches Gottes“ (Rede vom 17. Januar 2001). Ein Mißverstehen dieser Lehre mag einige bewogen haben, in leichtsinniger Mißachtung der natürlichen Umwelt zu handeln, doch es ist kein Teil der christlichen Lehre über die Schöpfung und die imago Dei, zur uneingeschränkten Entwicklung und zur möglichen Erschöpfung der Ressourcen der Erde zu ermutigen.
Die Bemerkung Papst Johannes Pauls II. zeigt eine wachsende Besorgnis über die ökologische Krise von Seiten des Lehramtes; dieses Anliegen ist in einer langen Geschichte der Lehre verwurzelt, wie sie in den Sozialenzykliken der Päpste der Moderne zu finden ist. In der Perspektive dieser Lehre ist die ökologische Krise ein menschliches und ein soziales Problem, verbunden mit der Verletzung der Menschenrechte und ungleichem Zugang zu den Ressourcen der Erde. Papst Johannes Paul II. faßt diese Tradition der Soziallehre zusammen, wenn er in Centesimus Annus schreibt:
„Gleichfalls besorgniserregend ist, neben dem Problem des Konsumismus und mit ihm eng verknüpft, die Frage der Ökologie. Der Mensch, der mehr von dem Verlangen nach Besitz und Genuß als dem nach Sein und Entfaltung ergriffen ist, konsumiert auf maßlose und undisziplinierte Weise die Ressourcen der Erde und selbst ihre Existenz. Der unbesonnenen Zerstörung der natürlichen Umwelt liegt ein heute leider weitverbreiteter anthropologischer Irrtum zugrunde. Der Mensch, der seine Fähigkeit entdeckt, mit seiner Arbeit die Welt umzugestalten und in einem gewissen Sinne neu zu schaffen, vergißt, daß das immer auf der Grundlage der ersten und ursprünglichen Gabe der Dinge von seiten Gottes beruht“ (37).
74. Die christliche Theologie der Schöpfung trägt direkt zu der Lösung der ökologischen Krise bei, indem sie die fundamentale Wahrheit bekräftigt, daß die sichtbare Schöpfung selbst eine Gabe Gottes ist, die „ursprüngliche Gabe“, die einen „Raum“ personaler Gemeinschaft begründet. Tatsächlich könnten wir sagen, daß eine wirklich christliche Theologie der Ökologie eine Anwendung der Theologie der Schöpfung darstellt. Wenn man festhält, daß der Ausdruck „Ökologie“ die beiden griechischen Wörter oikos (Haus) und logos (Wort) verbindet, kann die physische Umwelt der menschlichen Existenz aufgefaßt werden als eine Art „Haus“ für das menschliche Leben. Angesichts der Tatsache, daß das innere Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit ein Leben der Gemeinschaft ist, ist der göttliche Akt der Schöpfung die gnadenhafte Hervorbringung von Partnern, um diese Gemeinschaft zu teilen. In diesem Sinne kann man sagen, daß die göttliche Gemeinschaft sich nun „beherbergt“ findet im geschaffenen Kosmos. Aus diesem Grund können wir vom Kosmos als einem Ort personaler Gemeinschaft sprechen.
75. Christologie und Eschatologie gemeinsam tragen dazu bei, diese Wahrheit noch tiefer zu klären. In der hypostatischen Union der Person des Sohnes mit einer menschlichen Natur kommt Gott in die Welt und nimmt die Leiblichkeit an, die er selbst geschaffen hat. In der Inkarnation begründet der dreieine Gott durch den eingeborenen Sohn, der aus einer Jungfrau in der Kraft des Heiligen Geistes geboren wurde, die Möglichkeit einer intimen personalen Gemeinschaft mit dem Menschen. Da Gott aus Gnade die geschöpflichen Personen zu einer dialogischen Teilhabe an seinem Leben zu erheben gedenkt, ist er sozusagen auf die geschöpfliche Ebene herabgestiegen. Einige Theologen sprechen von dieser göttlichen condescensio als von einer Art „Hominisation“, durch die Gott in Freiheit unsere Vergöttlichung ermöglicht. Gott tut seine Herrlichkeit im Kosmos nicht nur durch theophane Akte kund, sondern auch indem er dessen Leiblichkeit annimmt. In dieser christologischen Perspektive ist Gottes Hominisation ein Akt der Solidarität nicht nur mit geschöpflichen Personen, sondern mit dem gesamten geschaffenen Universum und seinem historischen Geschick. Mehr noch, in der Perspektive der Eschatologie kann das zweite Kommen Christi gesehen werden als das Ereignis der physischen Einwohnung Gottes in dem vollendeten Universum, das den ursprünglichen Plan der Schöpfung erfüllt.
76. Weit davon entfernt, zu einer leichtsinnig homozentrischen Mißachtung der natürlichen Umwelt zu ermutigen, bekräftigt die Theologie der imago Dei die Schlüsselrolle des Menschen, der teilnimmt an der Verwirklichung dieser ewigen göttlichen Einwohnung in dem vollendeten Universum. Die Menschen sind nach Gottes planvollem Entwurf Treuhänder dieser Verwandlung, nach der sich die ganze Schöpfung sehnt. Nicht nur der Mensch, sondern das Ganze der sichtbaren Schöpfung ist berufen, am göttlichen Leben teilzuhaben: „Wir wissen, daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, daß wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden“ (Röm 8,22f.). In der christlichen Perspektive ist also unsere ethische Verantwortung für die natürliche Umwelt – unsere „Herbergsexistenz“ – verwurzelt in einem tiefen theologischen Verständnis der sichtbaren Schöpfung und unseres Platzes in ihr.
77. Papst Johannes Paul II. bezieht sich auf diese Verantwortung in einem bedeutenden Abschnitt in Evangelium Vitae und schreibt: „Der Mensch, der berufen wurde, den Garten der Welt zu bebauen und zu hüten (vgl. Gen 2,15), hat eine besondere Verantwortung für die Lebenswelt, das heißt für die Schöpfung, die Gott in den Dienst seiner personalen Würde gestellt hat ... Die ökologische Frage – von der Bewahrung des natürlichen Lebensraumes der verschiedenen Tierarten und der vielfältigen Lebensformen bis zur ‚Humanökologie’ im eigentlichen Sinne des Wortes – findet in dem Bibeltext eine einleuchtende und wirksame ethische Anleitung für eine Lösung, die das große Gut des Lebens, jeden Lebens, achtet ... Im Hinblick auf die sichtbare Natur sind wir nicht nur biologischen, sondern auch moralischen Gesetzen unterworfen, die man nicht ungestraft übertreten darf“ (42).
78. Schließlich müssen wir festhalten, daß Theologie nicht in der Lage sein wird, uns ein technisches Rezept für die Überwindung der ökologischen Krise zur Verfügung zu stellen, doch wie wir gesehen haben, kann sie uns helfen, unsere natürliche Umwelt zu sehen, wie Gott sie sieht: als Raum personaler Gemeinschaft, in dem Menschen, geschaffen nach dem Bilde Gottes, Gemeinschaft miteinander und die letzte Vollendung des sichtbaren Universums suchen sollen.
79. DieseVerantwortung erstreckt sich auch auf die Tierwelt. Tiere sind Geschöpfe Gottes, und nach der Bibel umgibt er sie mit der Sorge seiner Vorsehung (Mt 6,26). Die Menschen sollen sie mit Dankbarkeit entgegennehmen und geradezu eine eucharistische Haltung im Blick auf jedes Element der Schöpfung annehmen und Gott dafür danksagen. Einfach durch ihre Existenz preisen die Tiere Gott und geben ihm die Ehre: „Preist den Herrn, all ihr Vögel am Himmel; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit! Preist den Herrn, all ihr Tiere, wilde und zahme; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit!“ (Dan 3,80–81). Außerdem schließt die Harmonie, die der Mensch im Ganzen der Schöpfung begründen oder wiederherstellen muß, seine Beziehung zu den Tieren ein. Wenn Christus in seiner Herrlichkeit kommt, wird er das Ganze der Schöpfung „rekapitulieren“ in einem eschatologischen und endgültigen Moment der Harmonie.
80. Dennoch gibt es einen ontologischen Unterschied zwischen Menschen und Tieren, weil nur der Mensch nach dem Bilde Gottes erschaffen ist und Gott ihm die Hoheit über die Tierwelt anvertraut hat (Gen 1,26.28; Gen 2,19–20). Der Katechismus wertet die christliche Tradition über den gerechten Gebrauch der Tiere aus und bekräftigt: „Gott hat die Tiere der treuhänderischen Verwaltung des Menschen unterstellt, den er nach seinem Bilde geschaffen hat. Somit darf man sich der Tiere zur Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen. Man darf sie zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen“ (2417). Dieser Abschnitt ruft auch den legitimen Gebrauch der Tiere für medizinische und wissenschaftliche Experimente in Erinnerung, erkennt aber stets an, daß es „der Würde des Menschen widerspricht, Tiere nutzlos leiden zu lassen“ (2418). Folglich muß jeder Gebrauch der Tiere immer geleitet sein von den bereits ausgesprochenen Prinzipien: Die menschliche Hoheit über die Tierwelt ist wesentlich eine Dienstleistung, für die der Mensch Rechenschaft ablegen muß vor Gott, der der Herr der Schöpfung im wahrsten Sinne ist.
3. Verantwortung für die biologische Integrität des Menschen
81. Die moderne Technologie gemeinsam mit den jüngsten Entwicklungen in Biochemie und Molekularbiologie stellt der zeitgenössischen Medizin immer neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung. Diese Techniken bieten nicht nur neue und wirksamere Behandlungen für Krankheiten, sondern auch das Potential, den Menschen selbst zu ändern. Die Verfügbarkeit und Machbarkeit dieser Technologien verleihen der Frage neue Dringlichkeit: Inwieweit ist es dem Menschen erlaubt, sich selbst neu zu gestalten? Verantwortliche Dienstleistung im Bereich der Bioethik auszuüben, erfordert eine tiefe moralische Reflexion über eine Reihe von Technologien, die die biologische Integrität des Menschen beeinflussen können. Hier können wir nur einige kurze Hinweise auf die spezifisch moralischen Herausforderungen anbieten, die sich durch die neuen Technologien stellen, sowie einige der Prinzipien, die angewandt werden müssen, wenn wir eine verantwortliche Dienstleistung für die biologische Integrität des Menschen, der geschaffen ist nach dem Bilde Gottes, wahrnehmen wollen.
82. Das Recht zur vollständigen Verfügung über den Leib würde bedeuten, daß die Person den Leib als Mittel zu einem von ihr selbst gewählten Zweck benutzen könnte, d.h. daß sie dessen Teile ersetzen, ihn abändern oder ihm ein Ende setzen könnte. Mit anderen Worten, eine Person könnte die Zielsetzung oder den teleologischen Wert des Leibes bestimmen. Ein Verfügungsrecht über etwas erstreckt sich nur auf Objekte mit einem bloß instrumentalen Wert, nicht auf Objekte, die in sich selbst gut sind, d.h. Ziel in sich. Die menschliche Person, geschaffen nach dem Bilde Gottes, ist selbst ein solches Gut. Die Frage, besonders wie sie sich in der Bioethik stellt, lautet, ob dies auch für die verschiedenen Ebenen gilt, die in der menschlichen Person unterschieden werden können: die biologisch-somatische, die emotionale und die geistige Ebene.
83. Die alltägliche klinische Praxis akzeptiert im allgemeinen eine begrenzte Form von Verfügung über den Leib und gewisse mentale Funktionen, um Leben zu erhalten, so zum Beispiel im Fall der Amputation von Glieder oder der Entfernung von Organen. Diese Praxis ist zulässig nach dem Prinzip der Gesamtheit und Integrität (auch bekannt als das therapeutische Prinzip). Der Sinn dieses Prinzips besteht darin, daß die menschliche Person all ihre physischen und mentalen Funktionen in solcher Weise entwickelt, für sie sorgt und sie erhält, daß (1) untergeordnete Funktionen nie geopfert werden, außer für das bessere Funktionieren der gesamten Person, und selbst dann mit dem Bemühen um Kompensation für das, was geopfert wurde; und (2) daß die grundlegenden Fähigkeiten, die wesentlich zum Menschsein gehören, niemals geopfert werden, außer dies sei notwendig zur Rettung des Lebens.
84. Die verschiedenen Organe und Glieder, die zusammen eine physische Einheit bilden, sind als integrale Bestandteile völlig in den Leib einbezogen und ihm untergeordnet. Doch geringere Werte können nicht einfach um höherer willen geopfert werden: Diese Werte bilden zusammen eine organische Einheit und hängen wechselseitig voneinander ab. Weil der Leib als innerer Bestandteil der menschlichen Person in sich selbst gut ist, dürfen grundlegende menschliche Fähigkeiten nur geopfert werden, um Leben zu erhalten. Schließlich ist das Leben ein fundamentales Gut, das die Gesamtheit der menschlichen Person einschließt. Ohne das fundamentale Gut des Lebens werden auch die Werte – etwa die Freiheit –, die in sich selbst höher sind als das Leben, hinfällig. Angesichts der Tatsache, daß der Mensch auch in seiner Leiblichkeit nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, hat er kein volles Verfügungsrecht über seine eigene biologische Natur. Gott selbst und das Geschaffen-sein nach seinem Bilde können nicht Gegenstand willkürlichen menschlichen Handelns sein.
85. Bei der Anwendung des Prinzips der Ganzheit und Integrität sind die folgenden Bedingungen zu berücksichtigen: (1) Es muß sich um einen Eingriff in dem Körperteil handeln, der von der lebensbedrohlichen Situation entweder betroffen oder deren direkte Ursache ist; (2) es darf keine Alternativen für die Erhaltung des Lebens geben; (3) es gibt eine angemessene Erfolgschance im Vergleich zu den Nachteilen; und (4) der Patient muß seine Zustimmung zu dem Eingriff geben. Die unbeabsichtigten Nachteile und Nebenwirkungen des Eingriffs lassen sich auf der Grundlage des Prinzip der Doppelwirkung rechtfertigen.
86. Einige haben versucht, diese Hierarchie der Werte so zu interpretieren, als erlaube sie das Opfer von untergeordneten Funktionen, wie zum Beispiel der Fortpflanzungsfähigkeit, um höherer Werte willen, etwa um die geistige Gesundheit zu erhalten oder die Beziehungen zu anderen zu verbessern. Die Fähigkeit zur Fortpflanzung wird hier geopfert, um Elemente zu erhalten, die wesentlich für die Person als funktionsfähige Ganzheit sein mögen, jedoch nicht wesentlich für die Person als lebendige Ganzheit sind. In Wirklichkeit ist eigentlich die Person als eine funktionsfähige Ganzheit durch den Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit verletzt, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem die Gefahr für ihre geistige Gesundheit nicht unmittelbar bedrohlich ist und auf andere Weise abgewendet werden könnte. Weiterhin legt diese Interpretation des Prinzips der Ganzheit die Möglichkeit nahe, daß ein Teil des Leibes um sozialer Interessen willen geopfert werden könne. Auf der Grundlage derselben Argumentation könnte die Sterilisierung aus eugenischen Gründen auf der Basis der Interessen des Staates gerechtfertigt werden.
87. Menschliches Leben ist die Frucht der ehelichen Liebe – der gegenseitigen, vollständigen, endgültigen und ausschließlichen Hingabe von Mann und Frau aneinander, als Spiegel der gegenseitigen Hingabe der Liebe zwischen den drei göttlichen Personen, die fruchtbar wird in der Schöpfung, und der Hingabe Christi an seine Kirche, die fruchtbar wird in der Wiedergeburt des Menschen. Die Tatsache, daß eine Ganzhingabe des Menschen sowohl seinen Geist als auch seinen Leib betrifft, ist die Grundlage für die Untrennbarkeit der beiden Bedeutungen des ehelichen Akten: (1) der authentische Ausdruck ehelicher Liebe auf der physischen Ebene, der (2) zur Vollendung kommt durch die Zeugung während der fruchtbaren Phase der Frau (Humanae vitae 12; Familiaris consortio 32).
88. Die gegenseitige Hingabe von Mann und Frau aneinander auf der Ebene sexueller Intimität wird durch Empfängnisverhütung und Sterilisierung unvollständig gemacht. Außerdem gilt: Wenn eine Technik angewandt wird, die nicht den ehelichen Akt unterstützt, damit dieser zu seinem Ziel gelangt, sondern ihn ersetzt, und wenn dann die Empfängnis durch den Eingriff eines Dritten erzielt wird, dann hat das Kind seinen Ursprung nicht in dem ehelichen Akt, der der authentische Ausdruck der gegenseitigen Hingabe der Eltern ist.
89. Im Falle des Klonens – der Herstellung von genetisch identischen Individuen mittels Embryonensplitting oder Kerntransplatation – ist das Kind a-sexuell erzeugt und kann auf keinen Fall als die Frucht der gegenseitigen Liebeshingabe betrachtet werden. Wenn das Klonen die Herstellung einer großen Zahl von Menschen aus einer Person einschließt, bringt es sicherlich eine Verletzung der Identität der Person mit sich. Die menschliche Gemeinschaft, die, wie wir gesehen haben, auch als ein Bild des dreieinen Gottes aufgefaßt werden kann, drückt in ihrer Vielfalt etwas von den Relationen der drei göttlichen Personen in ihrer Einzigartigkeit aus, die ihre Unterscheidung voneinander hervorhebt, obwohl sie derselben Natur sind.
90. Keimbahn-Gentechnik mit einem therapeutischen Ziel am Menschen wäre in sich selbst vertretbar, wenn nicht die Tatsache wäre, daß es schwer vorstellbar ist, wie das Ziel erreicht werden kann, ohne daß man unverhältnismäßige Risiken eingeht, besonders in der ersten experimentellen Phase, so etwa ein enormer Verlust von Embryonen und das Auftreten von Pannen, sowie ohne daß man Fortpflanzungstechniken anwendet. Eine mögliche Alternative wäre der Gebrauch von Gentherapie in den Stammzellen, die das Sperma des Mannes produzieren, so daß er mit seinem eigenen Samen mittels des ehelichen Aktes gesunden Nachwuchs zeugen kann.
91. Gentechnik zur Steigerung (Enhancement) zielt darauf ab, bestimmte typische Merkmale zu verbessern. Die Idee des Menschen als „Mit-Schöpfer“ mit Gott könnte herangezogen werden zu dem Versuch, die Leitung der menschlichen Evolution mittels solcher Gentechnik zu rechtfertigen. Doch dies würde bedeuten, daß der Mensch das volle Verfügungsrecht über seine eigene biologische Natur hätte. Die genetische Identität des Menschen als menschliche Person durch die Herstellung eines untermenschlichen Lebewesens zu ändern, ist radikal unmoralisch. Die Verwendung genetischer Veränderung, um einen Übermenschen oder ein Lebewesen mit wesentlich neuen geistigen Fähigkeiten hervorzubringen, ist undenkbar angesichts der Tatsache, daß das geistige Lebensprinzip des Menschen, das die Materie in den Leib einer menschlichen Person verwandelt, nicht das Produkt der Hand des Menschen ist und der Gentechnik nicht unterliegt. Die Einzigartigkeit jeder menschlichen Person, die zum Teil durch ihre biogenetischen Eigenschaften konstituiert wird und sich durch Ernährung und Wachstum entwickelt, gehört zuinnerst zu ihr und darf nicht instrumentalisiert werden, um einige dieser Eigenschaften zu verbessern. Ein Mensch kann in Wahrheit nur besser werden, indem er vollkommener das Bild Gottes in ihm verwirklicht, indem er sich selbst mit Christus vereinigt und ihn nachahmt. Derartige Veränderungen würden in jedem Fall die Freiheit künftiger Personen verletzen, die keinen Anteil an Entscheidungen hatten, die ihre leibliche Struktur und ihre Eigenschaften in entscheidender und vermutlich unumkehrbarer Weise festlegen. Gentherapie mit dem Ziel, angeborene Bedingungen wie das Down-Syndrom zu lindern, würden sicherlich Auswirkungen auf die Identität der betreffenden Person haben im Hinblick auf ihr Erscheinungsbild und ihre geistigen Gaben, doch dieser Änderung würde dem Individuum helfen, seine wirkliche Identität, die durch ein fehlerhaftes Gen blockiert ist, voll auszudrücken.
92. Therapeutische Eingriffe helfen, die physischen, mentalen und geistigen Funktionen wiederherzustellen; sie stellen dabei die Person in den Mittelpunkt bei vollem Respekt vor der Finalität der verschiedenen Ebenen im Menschen in Beziehung zu denjenigen der Person. Wenn sie einen therapeutischen Charakter besitzt, respektiert eine Medizin, die dem Menschen und seinem Leib als Ziel in sich selbst dient, das Bild Gottes in beiden. Gemäß dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit muß eine lebensverlängernde Therapie angewandt werden, wenn Vor- und Nachteile in einem angemessenen Verhältnis stehen. Die Therapie darf abgebrochen werden, selbst wenn dadurch der Tod beschleunigt wird, wenn diese Angemessenheit fehlt. Eine Beschleunigung des Todes bei einer Palliativtherapie durch den Einsatz von Analgetica ist eine indirekte Wirkung, die wie alle Nebenwirkungen in der Medizin unter das Prinzip der Doppelwirkung fallen kann, vorausgesetzt die Dosis ist auf die Unterdrückung der schmerzhaften Symptome und nicht auf die aktive Beendigung des Lebens abgestimmt.
93. Über den Tod zu verfügen, ist in Wirklichkeit die radikalste Weise, über das Leben zu verfügen. Bei assistiertem Selbstmord, direkter Euthanasie und direkter Abtreibung – wie tragisch und komplex die persönliche Situation auch sein mag – wird physisches Leben für eine selbst gewählte Zielsetzung geopfert. In dieselbe Kategorie fällt die Instrumentalisierung des Embryo durch nicht-therapeutische Experimente an Embryos ebenso wie durch Präimplantationsdiagnostik, wobei eine Reihe von genetisch identischen Embryonen mittels Embryosplitting hergestellt wird, um das Vorhandensein eines genetischen Fehlers nachzuweisen oder auszuschließen. Es gibt keine wissenschaftlichen Gründe mehr, um eine verzögerte Beseelung anzunehmen (vgl. Donum Vitae I,1; Veritatis Splendor 60).
94. Unser ontologischer Status als Geschöpfe nach dem Bilde Gottes legt unserer Fähigkeit zur Verfügung über uns selbst gewisse Grenzen auf. Die Hoheit, der wir uns erfreuen, ist nicht unbegrenzt: Wir üben eine gewisse Teilhabe an der Hoheit über die geschaffene Welt aus, und am Ende müssen wir vor dem Herrn des Universums Rechenschaft ablegen über die Wahrnehmung unserer Dienstleistung. Der Mensch ist geschaffen nach dem Bilde Gottes, aber er ist nicht Gott selbst.
SCHLUSS
95. Im Lauf unserer Reflexionen hat das Thema der imago Dei seine systematische Kraft gezeigt, viele Wahrheiten des christlichen Glaubens zu klären. Es hilft uns, eine relationale – und wahrhaft personale – Konzeption des Menschen vorzulegen. Genau diese Beziehung zu Gott ist es, die den Menschen definiert und seine Beziehungen zu anderen Geschöpfen grundlegt. Wie wir jedoch gesehen haben, klärt sich das Geheimnis des Menschlichen erst voll im Lichte Christi, der das vollkommene Bild des Vaters ist und der uns durch den Heiligen Geist in eine Teilhabe am Geheimnis des dreieinen Gottes einführt. Innerhalb dieser Gemeinschaft der Liebe geschieht es, daß das Geheimnis allen Seins als umfangen von Gott seinen vollsten Sinn findet. Zugleich groß und demütig, bildet diese Konzeption des Menschen als Bild Gottes eine Charta für menschliche Beziehungen zur geschaffenen Welt und eine Grundlage, um darauf die Legitimität des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts, der eine direkte Auswirkung auf das menschliche Leben und die Umwelt hat, zu beurteilen. Wie die menschliche Person in diesem Bereichen berufen ist, Zeugnis abzulegen von ihrer Teilhabe an der göttlichen Schöpferkraft, so ist von ihr auch verlangt, ihren Platz als Geschöpf Gottes anzuerkennen, dem Gott eine kostbare Verantwortung der Dienstleistung am physischen Universum anvertraut hat.